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Mitbestimmung unerwünscht

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Wir erinnern uns: am 9. Februar stimmten die Schweizer mit knapper Mehrheit für die Initiative „Gegen Masseneinwanderung“. Auch in Deutschland entbrannte daraufhin eine rege Diskussion über das Schweizer Demokratiemodell und inwieweit direkt-demokratische Elemente auch in anderen Ländern Europas sinnvoll sind.

Während sich die politische Klasse und ihr Pendant in den Redaktionsstuben fast geschlossen gegen die Mehrzahl der Stimmbürger wandte, wünschten sich viele Kommentatoren und Leser mehr direkten Einfluß auf politische Entscheidungen. Denn, wie es in der Schweiz im Idealfall sein sollte, bringt die direkte Demokratie „viel Freiheit für die Bürger, für die Gemeinden und – für die Kantone. Für die Bundespolitiker und Beamten ist die direkte Demokratie hingegen ein Gefängnis mit unzähligen Wärtern, die mit der Waffe des Stimmzettels drohen.“ (Roger Köppel).

Hinter den Kulissen haben mit Anfang dieses Jahres Vorbereitungen für weitreichende Reformen des politischen Systems in der Schweiz begonnen. Politiker, Richter und Professoren sind „mit diesem System nicht mehr einverstanden“. „Auch das Volk ist fehlbar“, echauffierte sich der CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi.

Diskrepanz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung

Eine geheime Kommission mit dem satirereifen Namen „Democrazia Vivainta“ arbeitet an höheren Hürden für Initiativen, Vorprüfungen der Volksbegehren durch das Parlament, Regelung von Meinungsumfragen und ein neues Ausländerstimmrecht. Kurzum: Volksinitiativen sollen von oben herab erschwert oder gar verhindert werden. Die Diskrepanzen zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung einerseits und zwischen der politischen Elite und den Bürgern andererseits sind zu groß geworden.

Freilich sollte die Arbeit dieser Kommission geheim gehalten werden. Erst durch die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen durch die SonntagsZeitung gelangten erste Informationen an die Öffentlichkeit. Die Gruppe arbeite an einem Thesenpapier, welches dem Bund als Vorlage für tiefgreifende Reformen dienen soll. Die Schweiz soll fortan eine „avantgardistische Demokratie“ werden.

Es gebe dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich der andauernden „Instrumentalisierung“ von Volksinitiativen und dem „problematischen Auftauchen“ von Durchsetzungsinitiativen. Schließlich wurde der Bund durch den medialen Druck dazu gezwungen, auch weitere Informationen wie etwa die Namen der 13 Mitglieder zu veröffentlichen.

Kongruenz zwischen Regierenden und Regierten

In Deutschland scheinen sich indes viele unsicher zu sein über die Frage nach mehr direkter Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen. Während die Schweiz noch über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative diskutiert, scheint dieser Stern am Himmel der Konservativen schon wieder untergegangen zu sein. Gewichen ist er der knallharten Machtpolitik Putins, in dessen Regierungsstil viele Konservative die richtigen politischen Akzente gegen seinen Gegenspieler im Westen sehen.

Die Erfolge der AfD legten den Fokus wieder etwas weiter in Richtung direkte Demokratie. Doch inwieweit kann ein solches Konzept im Jahrhundert von Eurobonds und Brüsseler Demokratie noch bestehen? Alle Konzeptionen der direkten Demokratie gehen von einer prinzipiellen Kongruenz zwischen Regierenden und Regierten aus. Den Stimmbürgern wird eine hohe Kompetenzzuständigkeit in sämtlichen Angelegenheiten attestiert.

Einfluß der Bürger soll beschnitten werden

Daraus folgend, konstituiert sich die Volonté générale immer wieder automatisch, vorausgesetzt die Bürger nehmen ständig an allen Entscheidungen teil. Diese Entscheidungen finden an der Basis statt, also in Volksversammlungen und Basisgruppen, aus denen Volksabstimmungen und -begehren hervorgehen.

In der Verfassungswirklichkeit ist eine vollständige Umsetzung dieser Konzeptionen nur in äußerst kleinen (Stadt-)Staaten möglich. Die halbdirekte schweizer Demokratie bietet hierbei eine bewährte Anpassung, die nun ob der unerwünschten Einflußnahme der Bürger beschnitten werden soll. Ein Schächt- oder Minarettverbot oder eine Ausschaffungsinitiative, wie das jüngste Beispiel zeigt, soll es auch in der Schweiz künftig nicht mehr geben.

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