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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Vom Anschlußplebiszit zum Kalten Krieg

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Vom Anschlußplebiszit zum Kalten Krieg

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Mittlerweile sind die Schlagzeilen über das 75jährige Jubiläum der „großdeutschen Wiedervereinigung“, gerne auch „Anschluß Österreichs“ genannt, wieder weitgehend von den Titelblättern verschwunden. Sie bewegten sich im üblichen Rahmen.

Ein Punkt kam in der Regel kaum zur Sprache. Wie so vieles in der europäischen Politik war der Entwicklung damals ein jahrelanges Tauziehen vorausgegangen. An sich lag die Vereinigung immer in der Luft. Der sogar schon parlamentarisch beschlossene Beitritt Deutsch-Österreichs zur Weimarer Republik wurde von den Siegern des Ersten Weltkriegs zwar schlankweg verboten. Über diesem Verbot schwebte jedoch die latente Drohung, die seit jeher und bis heute das Schreckgespenst der Mächtigen Europas ist: es könne jemand das Volk dazu befragen.

So ist denn auch der Anschluß recht direkt ein Produkt des Streits um die Ermittlung des Volkswillens gewesen. Er fand unter anderem in London statt, wo gerade Joachim von Ribbentrop als scheidender Botschafter und neuer Außenminister eine Art Doppelbesuch machte. Am Mittag des 9. März 1938 trafen die ersten Nachrichten über eine in Österreich geplante Volksabstimmung ein. Ihre Hintergründe waren unklar.

Angelegenheit wurde zum politischen Scherz

Die Initiative wurde und wird Österreichs Kanzler Schuschnigg persönlich zugeschrieben, dem allerdings die verfassungsrechtlichen Kompetenzen für einen derartigen Schritt fehlten. Organisatorisch war die Abstimmung schon wegen des fehlenden Wählerregisters in der geplanten Zeit von vier Tagen (sic) nicht durchzuführen. Die suggestive Art der Fragestellung –  „Wollt ihr ein autoritäres, christliches Österreich?“ – und die Anweisung Schuschniggs, in den Wahllokalen nur Stimmzettel mit „Ja“ bereitzustellen, machten die ganze Angelegenheit eigentlich zu einem politischen Scherz. Allerdings würde dieser Scherz bei seiner Durchführung die österreichischen Angelegenheiten zunächst einmal für Jahre zementieren.

Der so ermittelte „Volkswille“ würde jedem deutschen Versuch im Weg stehen, eine deutsch-österreichische Vereinigung durchzusetzen. Man mochte denken, daß diese Idee Schuschnigg vielleicht nicht ganz alleine gekommen war und daß er Verbündete hatte. Großbritanniens Außenminister Halifax konnte ein solcher Verbündeter sein und führte sich jedenfalls prompt in dieser Weise auf. Er ergriff die Gelegenheit und mahnte, nichts gegen die Volksabstimmung in Österreich zu unternehmen. Ribbentrop hatte sie ihm gegenüber wegen der bekannten Mängel zuvor richtigerweise als „Schwindel“ bezeichnet. Eine offene Abstimmung würde immer zugunsten der deutsch-österreichischen Einheit ausgehen.

Halifax brachte als Antwort Krieg ins Gespräch. Man wolle zwar keinen Krieg, versicherte er, aber man wisse nie, falls über solchen Fragen doch ein Krieg ausbreche, wo dieser Krieg enden könnte oder wer nicht alles in ihn verwickelt werden würde. Das österreichische Plebiszit sollte durch diese kaum verhüllte Kriegsdrohung in beschlossener Weise „frei und ungestört“ abgehalten werden können. Noch deutlicher wurde tags darauf Thomas Inskip. Der Minister für die Koordination der Nationalen Verteidigung sprach gegenüber Ribbentrop von der Möglichkeit eines englischen militärischen Eingreifens, wenn Deutschland den Gang der Dinge in Österreich „mit einer gewaltsamen Lösung“ beschleunigen würde. Auch dies zielte darauf ab, die mit Hilfe der Volksabstimmung geplante Proklamation dauerhafter Unabhängigkeit der Alpenrepublik massiv abzusichern.

Drastische Folgen

Fast zwei Jahrzehnte lang und noch wenige Stunden zuvor – trotz Ribbentrops deutlichen Einwänden gegen Schuschniggs Abstimmungsfarce – war eine unparteiliche Abstimmung Österreichs für die englische Außenpolitik oder für Halifax persönlich überhaupt kein Thema gewesen. Dies war also etwa genau so lange der Fall gewesen, wie man die gemeinsamen Bemühungen der Weimarer Republik und der Republik Österreich in dieser Sache ignorieren konnte oder wie schließlich die geplante Abstimmung noch aus seiner Sicht das gewünschte Ergebnis fortdauernder Teilung zu bringen schien. Es schienen angesichts dessen eher die britische Regierung und ihre Verbündeten zu sein, die demokratische Entwicklungen zu blockieren versuchten. Dies entsprach nicht den Vorstellungen der deutschen Regierung, die sich hier auf die Verhältnisse vor Ort berufen konnte und wollte.

Das hatte drastische Folgen. Die Versailler Nachkriegsordnung begann sich damit entgegen dem britischen Wunsch jetzt auch territorial zu verändern. In gewisser Weise hatte an diesen Tagen zwischen dem 10. und dem 12. März 1938, mit diesen englischen Drohungen und der unmittelbar danach trotzdem zu deutschen Bedingungen folgenden deutsch-österreichischen Vereinigung der deutsch-englische Konflikt begonnen. Er war noch kein heißer, wohl aber ein Kalter Krieg um das Recht, die politischen Verhältnisse in Mitteleuropa zu bestimmen. Hier konnte – so haben es auch die Schlagzeilen des Jahres 2013 teilweise eingeräumt – die deutsche Regierung 1938 auf den österreichischen Volkswillen zählen. Aber der Volkswille gilt der internationalen Politik häufig nun einmal als ihr natürlicher Feind.

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