Wenn es doch das gute alte Wort Volksgesundheit noch gäbe, diesen so frisch gewaschen klingenden Begriff, von dem man sich Rückschlüsse auf die Vitalität der Nation erwarten dürfte!
In meinem Heimatkreis Mecklenburgische Seenplatte läßt sich selbst für den Nichtmediziner der Grad von Lebenshygiene und -komfort auf empirisch so einfache wie eindrucksvolle Weise ermessen: Ich erledige viel per Rad und bin so mehrfach die Woche lange Strecken im Sattel. Zwangsläufig folgt mein Blick den Straßengräben. Zunächst nur nebenher, dann aber verblüffter genau hinsehend, zählte ich auf einer beliebigen Strecke einfach das dort hingemüllte Leergut.
Zwischen Breesen und Pinnow, zwei ganz normalen Dörfern, liegen auf nur drei Kilometern 82 leere Schnapsflaschen, allesamt, dem frischen Etikett nach zu urteilen, nicht älter als das laufende Jahr. Prost! Das macht gut 27 Flaschen pro Kilometer, wohlgemerkt nur auf einer Straßenseite der wenig befahrenen Nebenstrecke, ansonsten symmetrisch ziemlich genau zu verdoppeln, allesamt offenbar im fahrenden Auto genossen und dann hinausgeflogen. Abfall nichtalkoholischer Getränke findet sich zusätzlich nur etwa zu einem Fünftel des Fusel-Leerguts.
Wieviel Frust, wieviel Druck, welche Not fährt mit
Bevorzugt wird Klarer, also einfacher Korn, gefolgt von Kräuterlikör und Weinbrand, sämtlich Spirituosen des unteren Preissegments, pro Flasche beim Discounter nur wenig teurer als ein gutes Vollkornbrot.
Ich bin weder Abstinenzler noch Gesundheitsapostel, aber es erstaunt mich schon, wieviel im rollenden Verkehr getrunken wird. Ich möchte auch nicht moralisieren oder die Straßenverkehrsordnung zitieren. Mich konsterniert eher, wieviel Frust, wieviel Druck, wieviel Unglück hinter all diesen Flaschenhälsen am Steuer sitzt. Und wer schon dort säuft, der säuft überall. Der ausgezählte Abschnitt ist keine Ausnahme, sondern Standard, ebenso wie die Niedergedrücktheit im Land.