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„Ich will kein Kind“

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„Ich will kein Kind“

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Schon bevor der Wecker klingelt, wird aus dem Kinderzimmer gequengelt. Am Frühstückstisch kippt eine Schüssel Haferflockensuppe um. Ein Glas voll klebrigem Saft fällt auf den Boden und zerbricht in gefühlt tausend Stücke.

Der Mittlere will sich nicht anziehen. Natürlich nicht. Er will es nie. Es wird um ein und dasselbe Spielzeug gestritten, obwohl das ganze Kinderzimmer voll davon ist. Sie schimpfen und schlagen sich. Natürlich heult bald einer. Daß ein Kind fast immer heult, ist eine Regel, beinahe so sicher wie ein Naturgesetz.

Nach einem solchen, ganz normalen Morgen, fühle ich mich erleichtert, die zwei Ältesten im Kindergarten abgeben zu können. Dieses Gefühl wird natürlich gleich von Gewissensbissen gefolgt. Schließlich bin ich ja nicht nur Mutter, sondern eigentlich auch noch eine konservative: Das Morgendliche sollte bei mir also mindestens hormonell bedingte Glücksgefühle auslösen. Statt dessen bin ich froh, kurz meine Ruhe zu haben.

Viele befassen sich mit ihrem Kinderwunsch erst kurz vor knapp

Ja, an solchen Morgen kann ich die Menschen ein ganz kleines bißchen verstehen, die keine Kinder haben wollen. Wie die zwei Journalistinnen Sonja Siegert, 39, und Anja Uhling, 50, die kürzlich das Buch „Ich will kein Kind“ herausgebracht haben. Darin haben sie Menschen nach ihren Motiven befragt, die wie sie selbst „freiwillig kinderlos“ geblieben sind. 

Anja Uhling nennt folgende Gründe für die gewählte Kinderlosigkeit: ein schlichtweg fehlender Kinderwunsch und ein überhöhtes Mutterideal, dem man nicht gerecht werden könne. Andere wollten aus idealistischen Gründen keine weiteren Kinder mehr in die Welt setzen.

Leider sind keine der Gründe für mich wirklich plausibel. Dafür muß ich nur die zahlreichen kinderlosen Frauen in meinem Umfeld anschauen: Keine einzige von ihnen ist wirklich freiwillig kinderlos geblieben, obwohl sie ähnliche Gründe für ihr Schicksal angeben.

Für viele von ihnen ist es zwar noch nicht zu spät, doch sie befassen sich mit ihrem Kinderwunsch erst jetzt – kurz vor knapp. Sie haben das Kinderkriegen herausgeschoben, um andere Dinge machen zu können oder weil sie mit sich gehadert haben: Ob sie es denn packen, wirklich wollen und dafür auch reif genug sind. Doch die Biologie ist gnadenlos. Irgendwann ist es für eine Frau eben doch zu spät.

Freiwillig kann dieser Lebensentwurf nur aus Erfahrungsmangel sein

Wenn ich mich an den Moment zurückdenke, an dem ich den ersten Atemzug meiner Kinder gespürt oder ihren ersten Schrei gehört habe, wenn ich daran denke, wie sie zum ersten Mal mit blinzelnden großen Augen diese Welt erblickten, oder wenn ich mich erinnere, wie sich ihre verkrumpelte Haut anfühlte, als ich sie zum ersten Mal in den Arm gehalten habe, dann bin ich überzeugt davon, daß ich so glücklicher und erfüllter bin, als ich es ohne Kinder wäre. Und ich glaube etwas vom Leben gelernt zu haben, was ich sonst nicht wüßte.

Wer die bedingungslose Liebe eines Kindes erfahren hat, der kann sich – auch wenn er es wollte – ein „freiwillig kinderloses“ Leben gar nicht vorstellen. Er wird immer denken, freiwillig kann dieser Lebensentwurf nur aus Erfahrungsmangel sein.

Denn derjenige, der Kinder hat, wird es nie ernsthaft bereuen. Auch an solch nervenzerreißenden Morgen nicht. Er bereut diese Kinder nicht, auch wenn sie nicht geplant oder gar gewollt waren. Im Gegensatz dazu aber wird derjenige, der freiwillig auf Kinder verzichtet hat, sich vermutlich doch irgendwann in seinem Leben fragen, ob es denn so richtig war.

Wie ein Sechser im Lotto

Anja Uhling spricht im Welt-Online-Interview darüber, daß es eben keinen Fortpflanzungstrieb, sondern lediglich einen Sexualtrieb gibt. Und das ist das große Problem: Seitdem wir sicher verhüten und straflos abtreiben können, gibt es immer weniger Kinder, die wirklich ungeplant auf die Welt kommen und ihren ahnungslosen Eltern dieses unverhoffte Geschenk machen können.

Stattdessen bleiben immer mehr Menschen in dem Glauben, daß sie wirklich keine Kinder wollen und, daß sie ohne Kinder genauso glücklich sein können. Das will ich ihnen gar nicht absprechen. Doch irgendwie habe ich da meine Zweifel. Es ist ja so, als wenn man einen Sechser im Lotto gewinnt und das Geld dann einfach nicht abholt. Und das trotz des umgekippten Saftglases am frühen Morgen.

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