Seit 1992 sind hundert deutsche Soldaten in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gestorben. Der Verteidigungsausschuß hat eine Arbeitsgruppe damit beauftragt, diesen Soldaten zu gedenken, die Frage ist nur die Form – eine sehr schwierige Frage. Denn heute, in Zeiten unklarer Begriffe und weggebrochenen Begründungszusammenhängen, ist gar nicht klar, wofür sie gefallen sind.
Man darf daran zweifeln, daß es für ihr Volk oder ihr Vaterland war. Das kann, muß aber nicht mit einer Empörung gegenüber einer wie auch immer gearteten Bundesregierung zusammenhängen. Die Begriffe „Volk“ und „Vaterland“ sind so weit aus dem allgemeinen Sprachschatz und -verständnis gerückt, daß der Wille, eben dafür zu töten und zu sterben, den meisten Deutschen absurd erscheinen muß.
Empfindliche Leerstelle
Ersatzstoffe, wie „Bevölkerung“, „Territorium“, „Sicherheit vor Terrorismus“ bleiben abstrakt und dürften für die Motivation zum militärischen Dienst eine untergeordnete Rolle spielen. Das Fehlen einer konkreten, auch emotional verständlichen Begründung ist eine empfindliche Leerstelle.
Trotzdem finden sich immer wieder neue Rekruten. Trotzdem versehen die bereits aktiven Soldaten treu und tapfer ihren Dienst. Befehle werden wie eh und je gegeben und befolgt, etliche Soldaten leisten darüber hinaus viel mehr als das von ihnen Verlangte. Manchmal verwundert das. Und der Bundestag beschließt weiterhin Einsätze. Obwohl das theoretische Fundament fehlt, geht es irgendwie weiter. Und trotz aller Seltsamkeiten bleibt die Armee funktionsfähig und bringt einige Helden hervor, die in Deutschland freilich keine Bühne finden.
Aber auch ohne das Wissen, was nun die alles zusammenhaltende Klammer ist, bringen sie ihr Opfer für „deutsche Interessen“. Wer arbeitslos wird, friert oder sich den Strom nicht mehr leisten kann, weil Energie zu teuer wird, der weiß, daß auch die Sicherung von Handelswegen und der kontinuierliche Rohstoffnachschub „deutsche Interessen“ sind.
Richtige Geste
Trotz dieser theoretischen, aber immensen Zweifel an der Begründung des militärischen Dienstes ist es zumindest eine gute und richtige Geste, daß die Arbeitsgruppe des Verteidigungsausschusses Vorschläge für das Gedenken an die gefallenen Soldaten erarbeitet.
So etwas wie eine Schweigeminute, ein Gedenkort im Bundestag oder ein Denkmal in Sichtweite der politischen Entscheider wäre zumindest ein Appell an das Parlament: Es soll seine Soldaten nicht einfach nur weltweit einsetzen, sondern ihnen unverschlüsselt mitteilen, für welche Sache sie uniformiert und bewaffnet ihre Heimat verlassen.
Das alles ist noch ein Stochern im Dunkeln, aber vielleicht – so ist die Hoffnung – schafft die Frage nach dem Soldaten auch ein wenig mehr Klarheit über die Frage nach dem Volk. Oder der bislang noch unspezifischen anderen Begründung.