15 Jahre ist es nun her, daß das geheimnisvolle Untergrundprojekt Turbund Sturmwerk eine streng limitierte Vinyl-Single mit dem unheilschwangeren Titel „Der letzte Sieger ist der Tod“ veröffentlichte. Die grafische Gestaltung war bereits obskur genug: Da werden zwei nackte Leichen von einem berittenen Knochenmann umhergeschleift, und auf der Platte selbst finden sich neben der Zahnrad-Tiwazrune-Blitz-Symbolik des Projekts eine skelettierte Hand sowie der von A. Paul Weber gestaltete, schwert- und sichelbewehrte Adler der Zeitschrift „Widerstand. Zeitschrift für nationalrevolutionäre Politik“ des Ernst Niekisch.
Rasende Talfahrt …
Rein gestalterisch also bereits geeignet, Panik unter Berufsbetroffenen und Interesse bei ideengeschichtlich Interessierten zu wecken, wird die Veröffentlichung auf der musikalischen Ebene nochmals interessanter. Findet sich doch auf der einen Seite unter dem Titel „Orkan im Haar“ die technosophisch-hypnotische Vertonung eines expressionistischen Gedichts von Ernst Jünger, zu dem der Jahrhundertschriftsteller im Jahre 1921 – also inmitten seiner aktiv nationalrevolutionären Phase – durch die Betrachtung des Kubin-Bildes „Der Mensch“ inspiriert wurde. Martin Lichtmesz enthüllte vor vier Jahren in diesem Zusammenhang außerdem, daß der seinerzeit noch lebende Jünger das Gedicht speziell für die Turbund-Single selbst eingesprochen habe.
… oder geistige Kata-Stase?
Die andere Tonspur hingegen setzt den Kontrapunkt zu Jüngers drängenden, mit einer industriell dahinwummernden Musik unterlegten Versen: Hinter dem finster anmutenden „Himmel voll Maden“ verbirgt sich der (leicht gekürzte) Gedichtvortrag „Traumwald“ des bereits vom Tode gezeichneten Heiner Müller. Dieser ist dem Gespräch „Herzkönigin am jüngsten Tag“ entnommen, das Alexander Kluge (bekannt durch „Deutschland im Herbst“ und seine dctp) nach einer Attacke des Spiegel mit dem Dichter führte. In den während seiner – letztlich vergeblichen – Krebsbehandlung im Krankenhaus entstandenen Versen drückt Müller die große, bleierne Resignation des wachen Geistes aus, der nichts weiter zu tun vermag, als zu registrieren, wie das Fleisch um ihn herum verfault.
Der letzte Sieger …
Wie Turbund Sturmwerk auf diesem musikalischen Kleinod den „Optimismus der Tat“ gegen den „Pessimismus des Intellekts“ ins Feld führen, muß nicht viel weiter diskutiert werden. Viel elementarer ist doch die Tragweite der darin angedeuteten Entscheidung – für den Wagemut, aus dem Irrationalen heraus, geistigen Sprengstoff im Tornister tragend voranschreiten? Oder: halb träumend, halb wachend, den Zerfall verzeichnen, doch sich in der Agonie der bedeutungslosen Vereinzelung nicht regen? Den „Orkan im Haar“ reißen fühlen, oder doch „in dem Lidschlag zwischen Stoß und Stich“ den Kairos der inneren Emigration sehen?