Wer wissen will, was gespielt wird, muß die Wirtschaftsnachrichten lesen und nicht das Politikgeplänkel. Die Meldung, die vor einigen Tagen aus dem schwäbischen Aichtal bei Stuttgart um die Welt ging, war eine kleine Sensation: Putzmeister, der Weltmarktführer für Spezial-Betonpumpen, weit über die Branche hinaus bekannt für seine baulogistischen Meisterleistungen beim Bau des Ärmelkanaltunnels und des Burj Dubai, des höchsten Turms der Welt, und beim Versiegeln der havarierten Atomkraftwerke von Tschernobyl und Fukushima, wird vom chinesischen Wettbewerber Sany Heavy Industries übernommen.
Die Nachricht von der geschätzt eine halbe Milliarde Euro schweren Transaktion markiert eine Zäsur: Wenn bislang deutsche Unternehmen von chinesischen Investoren übernommen wurden, handelte es sich in der Regel um insolvente oder sanierungsbedürftige Firmen; nun verkauft zum ersten Mal überhaupt ein Mittelständler – einer der „heimlichen Champions“, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden – sein Unternehmen, das nach einer Krise im letzten Jahrzehnt aus eigener Kraft und mit starker Beteiligung der Belegschaft saniert wurde und heute gute Zahlen schreibt, ohne akute Not nach China.
Man muß deshalb nicht gleich den Untergang des Abendlandes und den beginnenden „Ausverkauf“ des Industrielandes Deutschland an die Wand malen: Wenn zwei Unternehmen einer Branche, das eine Marktführer in China, das andere im Rest der Welt, unter einem Dach vereint werden, ist das zunächst ökonomisch durchaus rational, und es ist auch nicht zu erwarten, daß der Käufer, der vor allem Geld verdienen will – Sany ist ein Privatunternehmen, Gründer und Eigner Liang Wengen mit geschätzten sieben Milliarden Dollar der reichste Chinese – seine deutsche Marke und seinen deutschen Standort, von dem aus der Weltmarkt bereits erschlossen ist, einfach dichtmachen wird. Personalkosten sind im Hochtechnologiesektor nicht der entscheidende Faktor, und qualifizierte Fachleute wachsen auch in China nicht auf Bäumen.
China ist in immer mehr Branchen ein ernsthafter Konkurrent auf Augenhöhe
Man muß den Verlust der Eigenständigkeit eines deutschen Vorzeigeunternehmens aber auch nicht schönreden, wie es Putzmeister in seiner Pressemitteilung tut, als handele es sich quasi um eine Fusion unter Gleichen. Fakt ist, das aufstrebende chinesische Unternehmen hat seinen deutschen Konkurrenten geschluckt und erhält damit exklusiven Zugriff auf deutsche Hochtechnologie – und das nicht zuletzt, weil keines der Kinder des Unternehmensgründers Karl Schlecht bereit war, das Lebenswerk des Vaters weiterzuführen, sondern offenbar lieber Kasse machen und den Erlös in die beiden Familienstiftungen fließen sehen wollte. Da der mittlerweile 80jährige Firmenpatriarch mit seinen Nachfolgesorgen im deutschen Mittelstand nicht alleine dasteht, kann Putzmeister durchaus als Symbol für ein vergreisendes Industrieland stehen, dessen Innovationskraft allmählich zu erlahmen droht.
Der Knackpunkt ist aber ein anderer. Die deutsche Wirtschaft steht im globalen Wettbewerb, nur unsere Globalisierungsreden schwingenden Politiker weigern sich, daraus alle notwendigen Konsequenzen zu ziehen. China ist nicht die verlängerte Werkbank des Westens, sondern in immer mehr Branchen ein ernsthafter Konkurrent auf Augenhöhe. Die deutsche Wirtschaft braucht diesen Wettbewerb gleichwohl nicht zu fürchten, denn sie hat und entwickelt nach wie vor hochwertige Exportgüter, die auf der ganzen Welt begehrt sind und die so ohne weiteres kein anderer liefern kann.
Aber sie braucht politische Unterstützung beim Beiseiteräumen von Wettbewerbshindernissen. Im Falle China heißt das: Besserer Schutz des geistigen Eigentums vor Ideenklau, leichterer Zugang ausländischer Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen, Wegfall des „Joint-Venture-Zwangs“ – chinesische Unternehmen können in Deutschland frei agieren, deutsche brauchen in China einen gesetzlich vorgeschriebenen inländischen Kooperationspartner.
Chinesen halten Klimaschutz für eine lustige Marotte der Europäer
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird diese Anliegen im Gepäck haben, wenn sie heute zu ihrem Staatsbesuch nach China aufbricht. Gemessen an deutschen Interessen sollten es ihre wichtigsten, vielleicht sogar ihre einzigen Gesprächsthemen sein. Die Anliegen der deutschen Wirtschaft werden aber wahrscheinlich nur am Ende der Liste und ohne große Ergebnisse behandelt werden, weil Angela Merkel sich ja um so viel anderes noch kümmern muß, für das sie den chinesischen Gesprächspartnern etwas anbieten muß.
Da wären Sanktionen gegen Iran und Uno-Resolutionen gegen Syrien – China ist gern bereit, im Iran Deutschland als Wunsch-Wirtschaftspartner zu beerben, wenn Deutschland und Europa aus Rücksicht auf amerikanisch-israelische Befindlichkeiten freiwillig aus dem Rennen gehen; und in Syrien wegen derselben Befindlichkeiten das Regime zu stürzen, islamistische Fanatiker an die Macht zu bomben, Clankriege zu entfesseln und das Land in ein ähnliches Chaos wie Libyen zu stürzen, liegt auch nicht im chinesischen Interesse; im europäischen und deutschen übrigens ebenfalls nicht.
Und dann der „Klimaschutz“: Chinesen halten das für eine lustige Marotte der Europäer, der eigenen Wirtschaft im globalen Wettlauf eine Eisenkugel ans Bein zu binden und anschließend andere überreden zu wollen, dasselbe zu tun. Auch über die deutsche „Energiewende“ hat man in Peking herzlich gelacht und den deutschen Atomwissenschaftlern, die ja „die besten der Welt“ seien, süffisant angeboten, doch nach China zu kommen, um ungehindert dort zu arbeiten, wo man sie schätzt und braucht.
Hauptziel Merkels im „Reich der Mittel“ ist wieder mal die Euro-Rettung
Aber das Hauptziel, das Angela Merkel im „Reich der Mittel“ verfolgt, ist ohnehin wieder mal die Euro-Rettung. China hat drei Billionen Dollar Devisenreserven, und davon soll es doch bitte einen schönen Batzen in den Euro-Rettungsfonds stecken. Auch das werden die chinesischen Finanzleute, wenn überhaupt, nicht umsonst und aus Wohltätigkeit tun oder weil Angela Merkel so schöne Hosenanzüge trägt. Wie anders könnte die deutsche Regierungschefin doch in Peking auftreten mit einer soliden D-Mark im Rücken.
Nein, die deutsche mittelständische Wirtschaft muß weder die Globalisierung fürchten noch die chinesische Konkurrenz. Das größte Ungemach droht ihr von den eigenen Politikern, die sich mit weltfremden ideologischen Experimenten abgeben, als sei Deutschland eine vom Rest der Welt abgekoppelte Insel, und im Zweifelsfall lieber fremde Interessen vertreten als die eigenen.