Skandal! Entsetzen! Nein, nicht die bevorstehende nächste Runde der Milliardenvernichtung durch die „Euro-Retter“ versetzt die Republik tagelang in Aufregung. „Rassistische Hetze gegen Özil!“ schreit es uns von den Boulevard-Titelseiten entgegen. Was ist denn da passiert?
Auslöser der Empörungswelle ist ein inzwischen gelöschtes Twitter-Konto, aber das Netz vergißt ja nichts. Die offenkundig schlimmste und entsprechend häufig zitierte „üble rassistische Beschimpfung“ soll wohl diese sein: „Özil ist garantiert kein Deutscher! Ein Stück Papier ändert nicht die Abstammung.“
Nanu? Objektiv falsch ist die Aussage ja wohl nicht, wenn man denn nicht übersieht, daß der Begriff „Deutscher“ eben nicht nur die Staatsangehörigkeit, sondern auch die Volkszugehörigkeit beschreiben kann. Natürlich ist es nicht ganz fair, Özil das Deutschsein so pauschal abzusprechen; immerhin mußte er sich für seine Entscheidung von anderen Türken, die diese Unterscheidung sehr wohl kennen, als „Verräter“ beschimpfen lassen – auch eine Form von „Rassismus“ übrigens. Aber „Hetze“?
Die Nationalhymne als Lackmustest
Den Zweifel an seiner eigenen Bereitschaft, nicht nur das deutsche Trikot zu tragen, das ihm ganz andere internationale Auftritte ermöglicht als das türkische, sondern sich auch im Herzen als Deutscher zu fühlen und mit diesem Land zu identifizieren, nährt ein Özil zudem ja auch selbst, wenn er jedesmal beim Ertönen der Nationalhymne angewidert den Mund zukneift, wie einige andere Migrationshintergründler in der Mannschaft übrigens auch – während bei Kroaten, Ukrainern, Polen, nur mal so zum Vergleich, alle ergriffen mitsingen und vor Enthusiasmus und Stolz auf das eigene Land regelrecht zu glühen scheinen.
Nur ein Symbol, gewiß, aber das Unbehagen darüber bricht in vielen Netzdiskussionen immer wieder durch. Wie krisenfest ist ein Bekenntnis zu Deutschland, das solch einfache Gesten verweigert? Wird uns da etwa mit dem „Integrations-Bambi“-Träger Özil ein zweifellos talentierter, aber keineswegs überirdischer Kicker aus propagandistischen Gründen als Lichtgestalt untergejubelt, um uns eine heile Integrationswelt vorzugaukeln, die es nicht nur in den Problemvierteln nie gegeben hat?
Aber halt, „crimestop“! Solche Zweifel müssen schon im Ansatz unterbunden werden. Mustafa Özil, Vater und Manager des Jung-Stars, hat umgehend Anzeige erstattet, die Rechtschaffenen empören sich über die unverschämten Zwitschereien, die fieserweise auch noch unter der falschen Flagge der „Piraten“ verbreitet wurden. Da muß natürlich auch deren Möchtegern-Ideologin Julia Schramm, die wie im Soziologie-Proseminar Begriffe so lange durch den Dekonstruktionswolf drehen kann, bis am Ende alles irgendwo „rassistisch“ ist, in der für ihre Kleine-Jungs-Partei charakteristischen Kindergarten-Pipikaka-Sprache noch eins draufsetzen.
Schlaft ruhig, feiert schön – Mutti rettet den Euro
Und die EM-Show geht weiter wie gehabt. Özil bleibt trotz unauffälliger Leistung in der Startelf, wir sind erleichtert, daß die „schlimme Hetze“ den Heilsbringer „nicht belastet“, wir hoffen mit Meister Löw darauf, daß sein Liebling doch noch „explodiert“ und lauschen ergriffen, wie sein Vereinstrainer ihn zum „Besten der Welt“ auf seiner Spielposition ernennt – derlei Marketingsprüche gehören bei Real Madrid allerdings zum Geschäftsmodell.
Damit lassen sich die restlichen Spieltage locker rauf und runter zuplappern. Wer will, darf gerne mitplappern, -twittern, -posten oder sich einfach nur rund um die Uhr bequasseln und berieseln lassen. Aber bitte keine von DFB, UEFA und Papa Mustafa nicht genehmigten Gedankenabweichungen mehr! Schlaft ruhig und „feiert“ schön, mit der Integration ist alles in Butter, Multikulti ist super, Mutti hat den Euro gerettet, die Erde ist eine Scheibe, und alles wird gut.