„Deutsch ist eine Einwanderungssprache.“ Diese jüngst getroffene Feststellung schließt sich nahtlos an die Behauptung an, die vor kurzem das Nachrichtenmagazin Der Spiegel aufstellte: „Deutsch stammt aus der Türkei“. Ist Deutsch also gar kein Deutsch?
Jede Sprache wird von anderen Sprachen beeinflußt, das weiß jeder. Doch nur in Deutschland ist es in Mode gekommen, fremdsprachliche Einflüsse stärker zu beachten und höher zu bewerten als das eigene Sprachgut. Möglicherweise hängt das damit zusammen, daß Wissenschaftler mit einer solchen Brennweite leichter an Fördermittel kommen. Schließlich hat sich die parallele Parole „Deutschland ist ein Einwanderungsland“ in der politischen Bandbreite von Linkspartei bis CDU mittlerweile durchgesetzt.
„Deutsch ist eine Einwanderungssprache“
Die These, daß Deutsch eine Einwanderungssprache sei, stammt natürlich von einem Germanisten, nämlich von Utz Maas, dem Leiter des „Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien“ in Osnabrück. Ein anderer Germanist, Karl-Heinz Göttert, griff diese These dankbar auf. In Der Welt besprach er jüngst das neue Buch von Maas: „Was ist deutsch? Die Entwicklung der sprachlichen Verhältnisse in Deutschland“
An sich dehnen Maas und Göttert lediglich eine Binsenweisheit aus. Wer hätte schließlich gedacht, daß es in der deutschen Sprache Lehngut gibt! Doch Maas geht es weniger darum, Selbstverständlichkeiten festzustellen, die niemand bezweifelt. Hinter der These „Deutsch ist eine Einwanderungssprache“ steckt vielmehr eine pädagogische Absicht.
„Deutsch ist kein Schatz, sondern ein Projekt“
Die offen ausgesprochene Botschaft lautet: Die deutsche Sprache ist kein Erbe, das es zu bewahren gilt. Das Deutsche ist kein überlieferter Schatz, sondern ein „Projekt“. Die identitätsstiftende Rolle unserer Sprache wird in dieser Propaganda unterschlagen. Ein Erbe prägt, aber ein Projekt ist lediglich eine lockere Bindung auf Zeit, beliebig, austauschbar. Bezeichnend, daß selbst Göttert über das schlechte Deutsch in Maas’ Buch klagt. Wer die eigene Sprache für austauschbar hält, geht eben lieblos mit ihr um.
Was bleibt, ist ein Blick in die Zukunft, falls sich solcherlei Thesen verfestigen. Vielleicht wird es ja tatsächlich einmal so in den Geschichtsbüchern stehen: Die Einwanderer haben nach dem Krieg Deutschland und die deutsche Sprache wieder aufgebaut. Da möchte man schon lieber auswandern.