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Frankfurter Würstchen

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Frankfurt/Main, Samstag, 13. Oktober. Besuchertag auf der Buchmesse. Das Gedränge ist so groß, daß ich entnervt aus den Messehallen flüchte. Bis zur Rückfahrt nach Berlin bleiben reichlich zwei Stunden. Also zum Römer, Mittag essen.

Das Wetter ist schön, es wird draußen bedient. Vor einem der Restaurants stehen drei lange Tische, die Stühle sind locker aufgestellt. Man kann Platz nehmen, ohne gleich dem Nachbarn auf dem Schoß zu sitzen, man kann aber auch enger zusammenrücken. Es liegt an jedem selbst, die gewünschte Mischung aus Intimität und Distanz herzustellen, je nach Situation, Bedarf, Gemütslage. Ein Modell gelungener Gesellschaftlichkeit.

Am mittleren Tisch, und zwar genau in der Mitte, sitzen zwei junge Männer um die 20, Studenten offenbar, die einen unsichtbaren Kreis um sich gezogen haben. Der eine wendet mir den Rücken zu, der andere – Trenchcoat der besseren Sorte, dunkle Haare, die weich in die Stirn fallen – könnte einen Upper-Class-Schnösel in einem Evelyn-Waugh-Film spielen.

Breites Kreuz, raumgreifende Körperpräsenz

Mit Blicken, Gesten, Stimm-Modulation und dem Zigarettenrauch, den sie in die Luft blasen, geben sie zu erkennen, daß sie niemanden in ihrer Nähe wünschen, sie aus der Distanz bestaunt werden wollen. Mit betont kleinen Schlucken nippen sie am Bier. Die anderen Gäste verstehen die Zeichen und halten sich daran: Die scheuen Japaner, die höflichen Engländer, die jugendlichen Rucksacktouristen aus Italien und natürlich auch ich.

Die Stimmen der beiden lassen sich nicht völlig überhören. Ihr Gespräch dreht sich um Pink Floyd. Immerhin. Ich blinzele in die Sinne und finde die zwei weder blasiert noch arrogant. Sie sind unschuldig, harmlos, und vor allem: Ihr Auftritt bedeutet nichts!

Drei junge Männer tauchen auf, dasselbe Alter, Bauernjungen vom Balkan, die in Deutschland als Türsteher arbeiten. Bestenfalls. Oder Hartz IV kassieren. Wahrscheinlich beides. Breites Kreuz, raumgreifende Körperpräsenz. Laut und gestenreich beratschlagen sie, welchen Platz sie wählen.

Snob-Attitüde fällt in sich zusammen

Nein, sie führen sich nicht aggressiv auf, das scheint den Umsitzenden bloß so. Positiv ausgedrückt: Sie ruhen in der Sicherheit ihres unerschütterlichen Selbstbewußtseins. Der eine weist auf die Mitte, just in die Nähe der beiden Snob-Darsteller. Für die würde es dann ein bißchen eng.

Die zwei erfassen die Situation in Sekundenbruchteilen. Die Türsteher haben sich noch gar nicht entschieden, da sind sie bereits beflissen zur Seite gerückt. Sofort werden sie in ein Gespräch gezogen. Die neuen Gäste haben das Bedürfnis, mit echten Biodeutschen ins Gespräch zu kommen. Den mitgehörten Satzfetzen nach liegen sie knapp über dem Niveau von Kanaksprak. Immerhin.

Die Snob-Attitüde der Studenten fällt endgültig in sich zusammen. Man könnte mit ihnen einen Werbespot zum Thema „Mein Freund ist Ausländer“ oder „Vielfalt im Alltag“ drehen. Der Trenchcoat-Träger erklärt, er habe eine serbische Großmutter, worauf ein großes Hallo entsteht. Ja, das hätten sie sich schon gedacht. Sie nennen den Namen eines – serbischen? – Fernsehstars, dem er ähnele. Der andere läßt verlegen die Schultern sinken, er hat keinen Vorfahren mit Migrationshintergrund oder nicht mit dem richtigen.

Die Schlucke, mit denen die zwei ihre Biergläser leeren, werden immer größer. Endlich können sie ohne Gesichtsverlust zahlen. Von ihren neuen Bekannten verabschieden sie sich mit Handschlag. Die winken ihnen lässig hinterher.

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