Tut sich endlich was in Europa? Fängt die europäische Jugend an aufzubegehren? Nachdem rund 100 Aktivisten des Bloc Identitaire kürzlich das Dach einer im Bau befindlichen Moschee in Poitiers besetzt haben und sich auch in Deutschland und Österreich „identitäre“ Gruppen gründeten, diskutieren Rechte, Islamkritiker und andere Nonkonformisten, ob es sich um eine ernstzunehmende neue Bewegung handle und wie diese einzuschätzen sei.
Die Aktion hat einen außerordentlich starken Symbolwert – bei Tour und Poitiers besiegte Karl Martell 732 die aus Spanien vordringenden Sarazenen und verhinderte die Eroberung und Islamisierung des Frankenreiches –, zeugt von beachtlichem Organisationsgeist und führte in den Medien, der etablierten Politik sowie bei Zuwanderungslobbyisten zum üblichen Reaktionsmuster von Repression und Propaganda. Kurz darauf bildeten Identitäre in Wien mit Schweins-, Affen-, Scream- und (den von der Occupy-Bewegung bekannten) Guy-Fawkes-Masken unter dem Motto „Zertanz die Toleranz“ einen Flashmob bei einer Multikulti-Straßenveranstaltung; ob es auch in Deutschland – angesichts der weit fortgeschrittenen offiziellen Gleichschaltung und der Zersplitterung der Widerstandsszene – zu identitären Aktivitäten kommt, bleibt abzuwarten.
Ein vergleichbares Engagement zeigte hierzulande die Konservativ-Subversive Aktion um Götz Kubitschek, deren Störung einer Günter-Grass-Lesung zu einem beachtlichen Medienrummel geführt hat, sowie die nächtlichen Umzüge der „Unsterblichen“. Während die KSA jedoch nur auf einen kleinen Kreis von Mitstreitern bauen konnte und den „Unsterblichen“ aufgrund ihrer explizit „national-sozialistischen“ Stoßrichtung der Zuspruch demokratischer Konservativer und Rechter versagt bleiben mußte, ist das Konzept der Identitären unideologisch und inklusiv angelegt. Man gibt sich zwar selbstbewußt und militant, distanziert sich aber ebenso explizit von den totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts wie von der Instrumentalisierung des Nationalsozialismus zur Aufrechterhaltung der politisch-korrekten Diskursherrschaft.
Keine philosophischen Erörterungen, sondern beherztes Handeln
Die wichtigsten Ziele der jungen Bewegung sind die Erzwingung einer offenen Diskussion über die drohende Entwicklung der französischen bzw. europäischen Gesellschaft, die Wiederaneignung der von den Herrschenden okkupierten demokratischen Rechte durch das Volk sowie die Erneuerung der Demokratie, die ohne ein einigermaßen homogenes Volk nicht möglich ist, und die Etablierung eines neuen Selbstwertgefühls der von der politischen Klasse verratenen und fremden Okkupanten ausgelieferten Jugend.
Besonders bemerkenswert und strategisch geschickt ist der Verzicht auf philosophische Erörterungen, was unter „Identität“ zu verstehen sei; die emotional aufgeladene Debatte zwischen dem pi-Lager und den Sezessionisten hat kürzlich gezeigt, wie schwer eine erstens positive und zweitens theoretische Einheit hinsichtlich der zu verteidigenden Identität zu erzielen ist – zur Aufrüttelung breiter Kreise ist das Gegenteil weitaus geeigneter: „Ethnokulturelle“ (gerne auch „volkliche“ oder „völkische“) Gemeinsamkeit wird ex negativo durch alltägliche Anfeindungen von seiten meist muslimischer Migranten sowie durch die Arbeit der globalistischen herrschenden Klasse an der Abschaffung der europäischen Nationalstaaten erfahren, und sie wird intuitiv erlebt. Erst im nachhinein wird das unmittelbare Gefühl von Einheit und Zusammengehörigkeit theoretisch ausgestaltet und immer wieder neu und anders interpretiert.
Identität kann weder auf persönlicher noch auf kollektiver Ebene als unveränderlicher Wesenskern beschrieben werden, der den bloß oberflächlichen Wandel der Zeiten überdauern würde; sie kann niemals an einzelnen, isolierten Merkmalen festgemacht werden, sondern besteht in der Kontinuität ihrer Entwicklung, sofern sie noch als Ganzheit wahrnehmbar ist. Diese Kontinuität hat sowohl objektive als auch subjektive Seiten und manifestiert sich als stetiges Zusammenspiel intellektueller, emotionaler und voluntativer Aspekte: Sie stellt sich als Abstammungsgemeinschaft von Menschen gemeinsamer Sprache, Sitten und Gebräuche innerhalb eines mehr oder weniger abgegrenzten Gebietes dar, ist mit dem Gefühl eines gemeinsamen Schicksals verbunden, das sich in herausgehobenen Ereignissen und an besonderen Schicksalsorten verdichtet, und beruht auf dem täglichen Willen, diese Einheit nach innen und außen täglich aufs Neue zu bewähren und zu erkämpfen.
Identität beruht auf Gefühl und Willen
Anders als 732 in Frankreich oder 1813 in Deutschland ist unsere kollektive Identität heute vor allem von innen bedroht und wird sich nicht allein durch den Druck eines äußeren Feindes regenerieren. Paradoxerweise ist uns gerade unsere Freiheit, die wir verteidigen wollen, zum Verhängnis geworden, denn sie hat – in ihrer liberalistischen, globalistischen Fehlinterpretation – die fremde Landnahme erst möglich gemacht; und ebenso paradoxerweise ist stets diskussionswürdig, worum es eigentlich geht, wenn wir um unsere Identität kämpfen. Dabei wissen wir das alles schon; wir sollten nur manchmal etwas weniger diskutieren und etwas mehr handeln. Identität ist kein intellektuelles Konstrukt, beruht nicht auf Gesetzestexten und wohlfeilen abstrakten Bekenntnissen, sondern auf Gefühl und Willen.