„Keksdeutsch: Ein neuer Dialekt entsteht“. Unter diesem Titel erscheint in diesen Tagen ein neues Buch. Verfasserin ist Meike Brösel, Professorin für Deutsche Sprache der Gegenwart an der Leibniz-Butterkeks-Universität Spottsdam. Dort ist sie auch Sprecherin des Zentrums „Sprache, Variation und Nutrition“.
Vor ein paar Jahren war die Professorin einmal nicht in ihrem Mercedes, sondern im Bus unterwegs. Unfreiwillig hörte sie einer Schar von Schülern zu, die Kekse mampften, – und verstand nur Bahnhof. Das weckte ihren wissenschaftlichen Ehrgeiz: „Ich fand das sehr interessant, weil da ganz neue Laute und Satzkonstruktionen verwendet wurden.“ Sie eilte sofort in den nächsten Kaufladen und besorgte sich eine Packung Butterkekse. Nach eingehenden Forschungen stellte sie fest: „Keksdeutsch ist ein neuer Dialekt, der sich systematisch vom Standarddeutschen unterscheidet, genau wie etwa Schwäbisch oder Bairisch.“
„Keksdeutsch ist eine Bereicherung“
Meike Brösel hält „Keksdeutsch“ für ein Gemeinschaftsprojekt übergewichtiger Jugendlicher mit Nutritionshintergrund, die meistens in Deutschland geboren wurden und in der Regel mehrere Kekssorten bevorzugen (Butterkeks, Hartkeks, Milchkeks, Mürbekeks). In der Schule oder am Ausbildungsplatz reden sie „Standarddeutsch“. Doch wenn sie unter sich sind, holen sie die Kekstüten heraus und sprechen ihren eigenen urbanen Dialekt.
Es gibt Mädchen und Jungen unter den Teilnehmern am Spottsdamer Projekt „Laffm Mpfprache erformpfn“, die in Deutsch regelmäßig Bestnoten nach Hause bringen. Meike Brösel wendet sich deshalb energisch gegen Vorurteile: „Keksdeutsch ist kein falsches Deutsch, sondern als besonderer Dialekt mit nachvollziehbaren Regeln eine Bereicherung.“ Sie betont: „Ich würde Keksdeutsch als eigenen Dialekt ansehen, weil es typische Merkmale in Wortschatz, Aussprache und Grammatik gibt.“ So werde der Wortschatz systematisch durch innovative Grunz- und Schmatzwörter wie „mampf“, „schluck“ oder „würg“ weiterentwickelt.
Dritte Lautverschiebung?
Bei der Aussprache werden wir möglicherweise sogar Zeugen einer dritten Lautverschiebung in der deutschen Sprache: So wird das „s“ zu „f“, und das „sch“ wird zu „mpf“: „Tschüs“ heißt auf keksdeutsch zum Beispiel „Tmpfüff“. Das ist für einen ungeübten Sprecher gar nicht so leicht auszusprechen. Doch sind dies nicht die einzigen Sprachinnovationen. Wer Keksdeutsch spricht, verschluckt nicht nur Gebäck, sondern auch einzelne Vokale und zuweilen sogar ganze Wörter. Hinzu kommen charakteristische Kaubewegungen zwischen den Lauten, wie es sie sonst in keiner anderen Sprache gibt.
Meike Brösel ist überzeugt, daß Keksdeutsch oftmals logischer ist als Standarddeutsch. Die häufige Verwendung des Wörtchens „mampf“ sei ein Beispiel. Es werde benutzt, um die Bedeutung eines Objekts hervorzuheben: „Find wir mampf Kino gangn“ oder „Er mpfpricht mampf deutmpf mampf“.
Immer, wenn über ihr Thema etwas in den Medien erscheint, häufen sich leider auch Beschimpfungen von Kritikern. Sprachschützern gehen ihre Forschungen auf den Keks. Sie sehen die Verständlichkeit der Sprache gefährdet. Einmal habe jemand gar gedroht, ihre beiden kleinen Töchter mit Keksen vollzustopfen, erzählt Meike Brösel und wirkt dabei erschreckenderweise fast schon so, als sei das bereits Routine. Doch Brösel läßt sich nicht beirren: „Der Bevölkerungsanteil, der Keksdeutsch spricht, wächst. Wir haben viele Anfragen von Lehrern, die sich intensiver mit diesem Phänomen beschäftigen wollen.“ Sie rechnet fest mit der Unterstützung des Bundesforschungsministeriums – und der Bahlsen GmbH.