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Beim Häuten der Zwickauer Zwiebel

Beim Häuten der Zwickauer Zwiebel

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Beim Häuten der Zwickauer Zwiebel

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Man muß sich immer mal in Erinnerung rufen, daß die Ermittlungen im Fall der so genannten „Zwickauer Terrorzelle“ noch gar nicht abgeschlossen sind. Noch liegt staatlicherseits kein Untersuchungsergebnis vor, von einem richterlichen Urteil gegen die Angeklagte Beate Zschäpe ganz zu schweigen. Zudem wurde schon frühzeitig auf die ganzen Ungereimtheiten in der bisherigen Schilderung des Geschehens hingewiesen, beispielsweise im November 2011 von Götz Kubitschek im Blog der „Sezession“.

Dennoch stimmen Politiker, Medien und viele Normalbürger in den Chor derjenigen ein, die bereits alles wissen, für die die ganze Story feststeht und kaum noch hinterfragt wird. Immer wieder werden angebliche Helfer des „Zwickauer Trios“ festgenommen und deren Wohnungen durchsucht. Doch der Erfolg scheint mager zu sein. Nur scheinbare frühere Ermittlungspannen werden aufgedeckt.

Würde den Ermittlern wirklich ein entscheidender Durchbruch passieren, wäre dies schon längst an die Medien weitergereicht worden. Es sollte also nicht überraschen, wenn die wahre Story über die „Zwickauer“ erst in weiterer Zukunft ans Licht der Öffentlichkeit kommt. Bis dahin kann man spekulieren, inwieweit staatliche Stellen ihre Finger in dem Spiel hatten.

„Die schlimmsten Verbrechen seit 1945“

Da nur wenig zu berichten ist, wurde den Medien (Datenschutz hin oder her) immerhin das Internet-Surfverhalten der Angeklagten Beate Zschäpe zugespielt. Nun konnte spekuliert werden, ob möglichenfalls der von ihr angeklickte Pornostar „Sexy Cora“ bedeutenden Einfluß auf das mysteriöse Geschehen hatte. Zschäpe erkundigte sich laut Internetprotokoll über argentinisches Essen und die Eintrittspreise von Disneyland Paris. Als ihre beiden Kumpanen die Bank in Eisenach überfielen, soll Zschäpe auf den Webseiten von „Greenpeace“, der Tierschutzaktion „Gegen Pelze“ sowie den „Biobauern Zwickau“ gesurft haben.

Weit weg sind die Zeiten einer Gudrun Ensslin. Doch nicht von den Details der dubiosen Mordserie mit ihren zehn Opfern soll dieser Beitrag handeln, sondern von einer Äußerung des Jenaer Oberbürgermeisters Albrecht Schröter (SPD), der kürzlich wohl einen der zahlreichen Preise für „Zivilcourage“ und gegen „Rechtsradikalismus“ erhielt: „Es ist tragisch für uns, daß die Neonazis, die die schlimmsten Verbrechen seit 1945 in Deutschland verübt haben, aus Jena stammen.

Ich schickte JF-Autorin Ellen Kositza den Link mit einem kurzen Kommentar, in dem ich auf die Dimension dieser Äußerung hinwies. Demnach hätten weder die Morde der RAF, noch die Serienmörder, die Serienvergewaltiger und Kindermörder oder die Täter kriminell organisierter Clans eine solche Form an Bestialität erreicht. All dies verblaßt scheinbar angesichts der zehn „NSU-Morde“ zwischen 2000 und 2006. Von solch „abstrakt“ erscheinenden Vorgängen wie der Abtreibung von Millionen Embryonen soll nicht einmal die Rede sein.

Die nostalgische Endlosschleife der BRD-Eliten

Zweifellos zeugen die Taten von einer erschreckenden kriminellen Energie. Aber die superlative Äußerung des Oberbürgermeisters ist denn doch bemerkenswert. Kositza schrieb mir zurück, daß ich ihn vielleicht falsch verstanden haben könnte: „Der meint vielleicht, daß dieses Trio die Neonazis mit den schlimmsten Verbrechen gewesen seien. Alle anderen Kriminellen waren ja zumindest keine Neonazis.“

Ich lese die Sätze nicht so. Doch immerhin ist der Bezug zum Datum 1945 eindeutig. Das heißt, es wird eine direkte Linie vom Holocaust zu den sogenannten „Dönermorden“ gezogen. Der „Schoß“ scheint demnach „fruchtbar noch“, und in Zwickau hat sich gezeigt, daß der alte Tumor, der einst zu den Gaskammern geführt hat, Metastasen gestreut hat, die immer noch nicht ausgemerzt sind.

Schröters vermutlich ohne langes Überlegen herausgehauene Bemerkung zeigt exemplarisch die tiefenpsychologische Verfaßtheit weiter Teile des geistigen Überbaus der BRD. Seit langem schon vertrete ich die These, daß sich die BRD in einer „nostalgischen Endlosschleife“ befindet. Die Geschichte des Sieges über den Nationalsozialismus wird einem Historiendrama gleich immer und immer wieder durchgespielt. Das Drehbuch ist über einst vermittelte Schemata verinnerlicht – durch Literatur, vor allem aber das Unterhaltungskino und Fernsehen. Dadurch hat sie die Struktur eines mythischen Bildes angenommen. Es ist der Kampf des (demokratischen) Lichts gegen die „nazistische“ Dunkelheit, den Karlheinz Weißmann unlängst hervorragend beschrieb:

Altdeutsche Rollenspiele

„Die Erzählung von ’Auschwitz‘, von der untilgbaren Schuld, die Wir in der großen Schlacht zwischen Gut und Böse auf uns geladen haben, als Wir auf die Seite des Bösen traten gegen die Guten und die Juden der Vernichtung preisgaben, bevor sie durch eine Fügung Gottes oder der Vorsehung vom bewaffneten Arm der Menschheit im letzten Moment gerettet und Wir niedergeworfen wurden, woraufhin Wir zur Erkenntnis kamen und dem Bösen absagten, weshalb Wir nicht vollständig ausgetilgt wurden, aber das Kainsmal tragen, auf daß jeder sieht und Wir selbst nie vergessen, was Wir getan haben, daß Wir nichtswürdig sind weil Nachkommen von Nichtswürdigen.“

Somit ist der Einsatz der „Mitte“, der „Gemeinschaft der Demokraten“ gegen den „Rechtsextremismus“ eine Art posthume Familienaufstellung, und der einstige Feldzug der Westalliierten gegen Hitler wird nachgestellt. Die „autonomen“ Hilfstruppen von links werden dabei bewußt sanfter angefaßt, spielen sie doch die Rolle des einstigen sowjetischen Verbündeten, den man zwar einhegen, aber nicht niederringen muß. Und daß auch im Bereich der radikalen Rechten genug Statisten für den Kostümball zu finden sind, dafür sorgt schon der ebenfalls verinnerlichte Mythos.

Das dortige Personal gefällt sich eben nur in der anderen Rolle – man möchte lieber die „bad guys“ spielen. „Die Türken“ wiederum übernehmen in dem Spiel die Rolle der einst verfolgten Juden, weshalb ihnen nun besondere Fürsorge und wiedergutmachende Aufmerksamkeit zukommen müsse. „Früher waren’s die Juden und heute sind die Türken dran“, ist eine dies auf den Punkt bringende Liedzeile von Udo Lindenberg, der im Dezember 2011 beim Jenaer Rockfestival lallend die Stimmung gegen die „neuen Nazischweine“ anzuheizen versuchte. Das Festival für eine „Bunte Republik Deutschland“ war maßgeblich von SPD-Chef Sigmar Gabriel und seinem Parteikollegen Albrecht Schröter ins Leben gerufen worden.

Wenn nun also Taten wie jene der „Zwickauer Terrorzelle“ geschehen, werden sie  nicht in den allgemeinen Kontext von ethischer und sozialer Verwahrlosung gestellt, nicht in den Kontext der ansteigenden Konflikte innerhalb der realen „multikulturellen Gesellschaft“, nicht in den Kontext der gegenwärtigen Situation des 21. Jahrhunderts, sondern es wird das mythische Bild von „Auschwitz“ bemüht, um das Geschehen einzuordnen. Obwohl eine Beate Zschäpe oder ein Uwe Mundlos real so viel mit Eva Braun und Hermann Göring zu tun haben dürften wie ein Cocker Spaniel mit einem Braunbär.

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