Die folgenden Zeilen sind weder Kultur- noch Medienkritik. Sie kritisieren nicht, weil das Allgemeine, das Gegebene, meist weder zu bejubeln, noch zu beklagen ist – erst recht dann nicht, wenn Übersättigung und Langeweile real existierende Probleme sind. Die folgenden Zeilen stimmen vielmehr in den Chor dessen ein, was sie zu beschreiben versuchen: Das totale, allseitig wirksame Entertainment.
Wir schauen „Scrubs“ oder die „Bill-Cosby-Show“, amüsieren uns über die Späße von „Elton vs. Simon“, das „Dschungelcamp“ oder die Musik von Amy Winehouse. Das ist Entertainment: Der Konsum, beziehungsweise die Produktion von Medien zum Zeitvertreib und Vergnügen, ohne daß die Diskussion darüber etwas am Gegenstand der Diskussion ändern könnte – und sei sie noch so eifrig. Es hört auch nicht bei Amys Musik auf, es setzt sich auch beim wohlig-gruseligen Schauer fort, wenn wir von ihrem Drogentod erfahren. Gefühle beim Hören einer Neuigkeit ändern nichts an der Eigenschaft des Entertainments, denn sonst wäre Fußball auch eine ernste Sache.
Niemand glaubt wirklich, daß es eine ergebnisorientierte Diskussion ist, wenn zehntausende Deutsche sich darüber streiten, ob und warum Nationaltrainerin Silvia Neid für das Ausscheiden ihrer Mannschaft im Viertelfinale verantwortlich ist oder nicht. Das gilt für die Diskussion von Angesicht zu Angesicht genau wie für den „Experten“ in Radio, TV und Internet. Das Präsentieren (wohl auch das Bloßstellen) vermeintlicher Fachleute mit ihren Erklärungen und Prognosen ist unübersehbar reines Entertainment. Denn sie müssen sich äußern, obwohl sie noch gar nicht wissen können, was überhaupt passiert ist.
In der Sache ändert sich nichts
Und was tatsächlich geschah, erfahren wir in den seltensten Fällen. Wer will schon das Verantwortungsgeflecht bei der Loveparade-Katastrophe in Duisburg auseinander dividieren? Wer will (jetzt schon!) sagen können, was Breivik zu seiner schrecklichen Tat getrieben hat? So sind dann auch die Spekulation über die Mitschuldigen und Mitverantwortlichen nichts anderes als ein wohlig-gruseliger Schauer, der uns den Rücken herunter läuft. Die Spekulationen über die Gründe einer Katastrophe oder den möglichen Schutz vor weiteren Untaten sind in den meisten Fällen so abwegig und kleinteilig, daß sie den Gegenstand der Diskussion in keinster Weise beeinflussen.
Das heißt nicht, daß dieses Entertainment folgenlos wäre. Die Denunziationsmaschine beginnt zu arbeiten, Köpfe rollen, Gelder fließen, man schnalzt mit der Zunge. Nur an der Sache ändert sich nichts. Es gibt also eine große Menge an Menschen, die sich über die Taten sehr weniger Menschen streiten, ärgern, erfreuen, belustigen, empören, echauffieren und so weiter. Doch trotz ihres Eifers in der Debatte passiert im Bezug auf die eigentliche Sache kaum mehr als das.
Vielleicht ist Wirkungslosigkeit in der Sache mit Sinnlosigkeit im Bezug auf die Sache gleichzusetzen. Das ist jetzt reine Spekulation. Doch wenn es so wäre, dann könnten wir die ersten Seiten der Tageszeitung überblättern und direkt in die Lokalnachrichten einsteigen.