Sommerloch, CDU und das endlose schwarze Ratespiel „Wer-sind-eigentlich-unsere-Stammwähler-und-brauchen-wir-die-überhaupt“ gehören anscheinend untrennbar zusammen. In diesem Jahr macht Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident Erwin Teufel den Stichwortgeber.
Nach seiner Standpauke vor der Seniorenunion hat Teufel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nachgelegt. Sein überarbeiteter Vortrag vor den Unions-Senioren nimmt die ganze Seite drei ein. Folgen wird auch das keine haben – nicht zuletzt, weil Erwin Teufel selbst Teil des Problems ist.
Das zeigt sich schon an den Widersprüchen, in die er sich verwickelt. Einerseits bezeichnet er die europäischen Staats- und Regierungschefs, zutreffend, wegen ihrer vertragswidrigen Euro-Retterei als Rechtsbrecher: „Ich würde keinem Politiker vertrauen, der sich nicht an Recht und Gesetz hält, nicht an die Verfassung hält.“ Brav gesprochen.
Der Souverän Volk wird nicht gefragt
Andererseits empfiehlt Teufel seiner Partei, wieder offen zu sagen: „Wir wollen die Vereinigten Staaten von Europa.“ Das Aufgehen Deutschlands in einem Bundesstaat Europa wäre freilich verfassungswidrig, wenn das der Souverän Volk nicht will, den man allerdings weder zu fragen noch ihm die Wahrheit zu sagen gedenkt.
Um Deutschland durch die Hintertüre abzuschaffen, wurde seinerzeit die europäische Währungsunion ersonnen, der nach der erklärten Absicht Helmut Kohls die „politische Union“ folgen sollte. Die kommt jetzt in Gestalt der Transferunion, die Geber- und Nehmerstaaten zugleich entmündigt. Madame Alternativlos vollendet also nur, was die Generation Teufel mit der Euro-Einführung begonnen hat, wenn sie die ohnedies nur als Beruhigungspille gedachten Stabilitätskriterien und das „Bail out“-Verbot einfach in die Tonne tritt.
Aber Teufels Thema ist ja das „C“. Das stehe nicht für „conservativ“, auch nicht für „Computer“ – der Kalauer-Virus aus Meck-Pomm, wo die CDU-Platitüdenschmiede „C wie Zukunft“ buchstabieren, scheint ansteckend. „Das C steht für christlich, und das muß man an Inhalten erkennen. Und an der Haltung der Politiker.“ Erwin Teufel, dem katholischen Bauernsohn aus der schwäbischen Provinz, mochte man diese Haltung abnehmen. Denen, die ihm derzeit applaudieren, um auch mal wieder in die Zeitung zu kommen, vom hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier bis zum neuen baden-württembergischen CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl, wohl kaum.
Zerstörung der eigenen Stammwählerschaft
Wer nun Teufel wo und wie zustimmt oder nicht ist allerdings so egal wie die ganze x-te Neuauflage der CDU-Profil-Debatte. In einem haben die Schlaumeier Marke Polenz nämlich recht: Die Zeiten haben sich geändert seit den Neunzigern. Und die CDU hat dabei kräftig mitgeholfen. Auch Erwin Teufel.
Dessen Wahlerfolge beruhten seinerzeit nicht auf seiner persönlichen christlichen Haltung, sondern auf dem Noch-Vorhandensein konservativer Strömungen und Milieus, die diese Haltung ansprach. Diese Konservativen hat die Union in dem Moment zum Abschuß freigegeben, als sie sich auf den „antifaschistischen Konsens“ der linken Meute einließ und selbst zum „Kampf gegen Rechts“ blies, der auf die Zerstörung ihrer Stammwählerschaft zielte.
Linke Anti-„Nazi“-Hysterie kam Teufel gerade recht
Erwin Teufel hat dabei kräftig mitgetrötet. Die linke Anti-„Nazi“-Hysterie kam ihm gerade recht, um die Republikaner zu erledigen, die 1992 in den Landtag gekommen waren. Statt sich über die Schwächung der SPD zu freuen, der die neue Partei vor allem Wähler abgenommen hatte, schmiedete er eine große Koalition und ließ seinen roten Innenminister durch rechtsstaatswidrigen Mißbrauch des Verfassungsschutzes die vermeintliche Konkurrenz bekämpfen, die eine nicht-linke Koalitionsalternative hätte werden können.
Um eines kleinen taktischen Vorteils willen hat Erwin Teufel also den Linksrutsch der deutschen politischen Landschaft mit vorangetrieben. Der Linksrutsch der CDU, die Entsorgung des konservativen Flügels, die hektische Anbiederung an linke und linkere Machtbeschaffer sind die logische Folge. Mit christlich-familiären Allgemeinplätzen kann sich der Alt-Ministerpräsident, der vom Konservativen selbst – mit oder ohne C –und von seiner eigenen Mitverantwortung nach wie vor nichts wissen will, da nicht rausreden. Wer sich über Merkels Werk echauffiert, sollte über Teufels Beitrag nicht schweigen.