Diese Woche wurden die Ergebnisse zweier Studien veröffentlicht, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Doch schaut man sie genauer an, werden interessante Zusammenhänge deutlich.
Laut einer internationalen Umfrage, die von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen in Auftrag gegeben wurde, hält nur jeder fünfte Deutsche (21 Prozent) die Bundesrepublik für ein kinderfreundliches Land. Damit landet Deutschland weltweit auf dem vorletzten Platz. Nur die Russen schätzen ihr Land in Sachen Kinderfreundlichkeit schlechter ein.
Die zweite Studie: Der Mikrozensus 2010 ergab, daß jeder fünfte Mensch in Deutschland, genauer gesagt 19,3 Prozent der Bevölkerung, mittlerweile über einen „Migrationshintergrund“ verfügt. Insgesamt leben in Deutschland also 15,7 Millionen Menschen, die entweder selbst eingewandert sind oder einen ausländischen beziehungsweise eingebürgerten Elternteil haben.
Migranten bekommen mehr Kinder
Es ist eine Tatsache, daß Menschen mit „Migrationshintergrund“ in Deutschland durchschnittlich mehr Kinder bekommen als ihre deutschen Mitbürger. Das zeigt nicht nur ihre höhere Geburtenrate mit 1,95 Kindern pro Frau im Jahr 2009 (Frauen türkischer Staatsangehörigkeit bekamen durchschnittlich sogar 2,60 Kinder). Zudem sind sie im Schnitt deutlich jünger als die Ureinwohner Deutschlands (35,0 gegenüber 45,9 Jahren).
Die Gründe für eine höhere Geburtenzahl werden hierzulande immer wieder gerne in den sozialen Verhältnissen gesucht, was auch die Ergebnisse des Mikrozensus bestätigen würde: Laut der Studie fehlt Einwanderern nämlich häufiger ein Schulabschluß (15,3 gegenüber 2,0 Prozent) oder ein berufsqualifizierender Abschluß (45,0 gegenüber 19,6 Prozent). Sie sind auch deutlich häufiger arbeitslos (11,5 gegenüber 5,8 Prozent) – vermutlich ein wichtiger Grund dafür, daß auch ihr Armutsrisiko mit 26,2 Prozent deutlich höher liegt als das der Deutschen ohne „Migrationshintergrund“ (11,7 Prozent).
Deutschland ist nicht unemanzipiert
Doch der Annahme, daß Frauen mehr Kinder bekommen, wenn sie schlecht ausgebildet, ohne Berufsausbildung oder arm sind, widerspricht die BAT-Studie über Kinderfreundlichkeit. Der wissenschaftliche Leiter der Studie, Ulrich Reinhardt, zieht genau die gegenteiligen Schlüsse: „Gerade in Westeuropa ist tendenziell die Kinderfreundlichkeit – wie auch die durchschnittliche Anzahl von Kindern – in den Ländern am höchsten, in denen die Emanzipation weit vorangeschritten ist.“
Nun, entweder irrt die BAT-Studie, oder diese Aussage gilt einfach für Deutschland nicht. Denn so unemanzipiert ist Deutschland nun wirklich nicht, daß es nach dieser Logik als kinderfeindlich gelten könnte. Schließlich begünstigt die Politik durchaus diejenigen Frauen, die neben ihren Kindern zusätzlich arbeiten gehen möchten – sogar mehr als jene, die zuhause bleiben wollen.
So werden hierzulande eigentlich alle Voraussetzungen erfüllt, um hochoffiziell als kinderfreundlich zu gelten. Warum also bekommen die Deutschen EU-weit trotzdem am wenigsten Kinder (1,39 pro Frau), während ihre weniger emanzipierten Mitbürgerinnen mit „Migratonshintergrund“ gleichzeitig ganze Großfamilien aufziehen?
Es ist eben leider nicht so einfach. Kinderfreundlichkeit liegt nicht maßgeblich an der Verfügbarkeit von Krippenplätzen oder der beruflichen Aufstiegschancen für Frauen, sondern schlichtweg am Wert, der in der jeweiligen Kultur der Familie und den Kindern eingeräumt wird.