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Die Gesundheitsreligion

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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Am Rande unserer Kleinstadt befindet sich ein kleiner Wald, der als Naherholungsgebiet ausgewiesen ist. Gelegentlich finde auch ich die Zeit, dort ein wenig spazieren zu gehen – nicht: zu „walken“. Doch langsam scheint mir, ich werde zum letzten Spaziergänger. Unheimlich viele Menschen sind dort im Wald unterwegs, aber alle sportlich aktiv. Die einen betreiben Nordic Walking, die anderen joggen, manche mit, manche ohne Stöpsel in den Ohren.

Im Stadtgebiet kommen mir viele Menschen auf Fahrrädern oder in den Sommermonaten auch auf Inlinern entgegen. Der Sport ist heute allgegenwärtig, was die Freizeit- und Urlaubsgestaltung betrifft. Vor einigen Jahren habe ich in einem Schwesternkloster öfters am Sonntagmorgen um 7 Uhr die heilige Messe gefeiert. Direkt neben dem Kloster war ein Fitnesscenter, das täglich um 8 Uhr öffnete. Auf dem Rückweg vom Kloster konnte ich dort schon am Sonntagmorgen regen Betrieb wahrnehmen.

Die neuen Dogmen: Fitness, Wellness und Gesundheit

Schreibt hier ein Unsportlicher, der nur schlechtmachen will, was er selbst nicht zustande bringt? Keineswegs! Manchmal sage ich mir, daß auch ich etwas mehr Sport treiben sollte. Doch scheint mir der ganze Fitnesskult reichlich übertrieben. Der Deutsche Fitness-Studio-Verband berichtet, daß die dortigen Mitglieder von 100.000 im Jahr 1980 auf 4,59 Millionen im Jahr 2000 angestiegen sind. Im Jahr 2000 betrug die Zahl der katholischen Sonntagsgottesdienst-Besucher übrigens nur 4,42 Millionen.

Haben wir nicht schon längst eine neue Religion in unserem Land? Fitness, Wellness und Gesundheit lauten die zentralen Dogmen. Hat man früher in der Krankheit gebetet, vielleicht an einem Wallfahrtsort eine Kerze aufgestellt und in ganz schwierigen Fällen den Pfarrer gerufen, so konsultiert man heute die unterschiedlichsten Fachärzte oder Experten für alternative Heilverfahren, denen man sein leibliches und seelisches Wohl anvertraut. Die Religion bleibt hierbei außen vor.

Das seelische Heil tritt in den Hintergrund

Lief man noch als Zwanzigjähriger mit dem Trend und begann zu rauchen, so beginnt man spätestens im Alter von vierzig oder fünfzig Jahren mit dem kollektiven Abgewöhnen. Man hat erkannt: „Gesundheit ist das höchste Gut.“ Dieser Satz darf folglich auf keiner Geburtstagsfeier fehlen. Niemals zuvor in der Geschichte wurde etwas so Vergängliches wie die leibliche Gesundheit zum höchsten Ideal erklärt. Noch bei Immanuel Kant galt die Einheit von Heiligkeit und Glückseligkeit oder Gott als höchstes Gut. Der Mensch von heute ist immer seltener bereit, etwas für sein seelisches Heil zu tun; für die Gesundheit jedoch ist keine Anstrengung und kein Opfer zu groß.

Der Psychiater und Bestseller-Autor Manfred Lütz bringt die Lage auf den Punkt: „Wenn heute überhaupt etwas auf dem Altar steht, angebetet und mit schweißtreibenden Sühneopfern bedacht wird, so ist es die Gesundheit. Unsere Vorfahren bauten Kathedralen, wir bauen Kliniken. Unsere Vorfahren machten Kniebeugen, wir machen Rumpfbeugen. Unsere Vorfahren retteten ihre Seele, wir retten unsere Figur. Es fehlt auch nicht an Protagonisten: selbst ernannten Päpsten, ergebenen Gläubigen, Hohepriestern des Wohlergehens, Zuchtmeistern, Asketen, Heiligen, Inquisitoren.“

Was nützt Gesundheit ohne Gott?

Als Pfarrer besuche ich auch die Senioren meiner Gemeinde zu runden Geburtstagen. Häufig treffe ich dort mit anderen Gratulanten zusammen. Bei einer solchen Gelegenheit hörte ich kürzlich einen von der Standartformulierung abweichenden Glückwunsch: „Ich wünsche Ihnen (…) Gesundheit und vor allem Zufriedenheit.“ Das ist es: Was nützt die Gesundheit, wo der Frieden mit Gott und den Mitmenschen fehlt? Zufriedenheit ist das Resultat einer ausgeglichenen Lebensweise. Das Christentum mit seiner ganzheitlichen Sicht des Menschen wäre hierzu eine gute Grundlage.

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