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Aus dem Giftschrank der Universitäten

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Kürzlich stellte ich zu meiner großen Freude fest, daß alle bisherigen Bände der Reihe „Kieler Ideengeschichtliche Studien“ des Regin-Verlags auch ihren Weg in die hiesige Universitätsbibliothek gefunden haben. Da mir selbst noch eines der Bücher fehlt, beschloß ich, mir zur Zerstreuung in langweiligen Vorlesungen „Eurofaschismus und bürgerliche Dekadenz – Europakonzeption und Gesellschaftskritik bei Pierre Drieu la Rochelle“ auszuleihen.

Anziehung des Abseitigen

Nicht zuletzt aufgrund der Akademie des Instituts für Staatspolitik (IfS) zum Thema „Faschismus“, auf der intensiv auch auf die historischen Entwicklungen im Frankreich der Zwischenkriegszeit eingegangen wurde, ist das Interesse an Drieu la Rochelle in unseren jungen Reihen angewachsen. Seine recht tragische Lebensgeschichte ist in gewissem Sinne eben auch ein Exkurs in „heroischem Realismus“ und spricht folglich gerade den jugendlichen Drang zur Unbedingtheit an. Schön also, daß in den Studien die oben genannte Monographie mit vielen O-Tönen und Hintergrundinformationen erschienen ist.

Weggeschlossen …

Nun hieß es also, einen Leihschein auszufüllen und nach einigen Tagen das Buch abzuholen. Es war im Archiv abgelegt worden, das für „normalsterbliche“ Studenten nicht zugänglich ist. Soweit nichts ungewöhnliches, denn das „Staatspolitische Handbuch“ des IfS wanderte auf direktem Wege ins Archiv. Gerade bei Nachschlagewerken sicher nicht die falscheste Vorgehensweise. Wunderlich wurde es erst, als ich „Eurofaschismus und bürgerliche Dekadenz“ dann nach Hause getragen hatte und mit der Lektüre beginnen wollte.

… und „limitiert“

Auf der Innenseite des Einbands waren nämlich zwei Bibliotheksvermerke eingestempelt. Einerseits „Nur zur Benutzung im Lesesaal“; von daher hätte man mir das Buch eigentlich gar nicht mitgeben dürfen, da es die Räumlichkeiten der UB nicht verlassen soll. „Tja, Pech gehabt“, war mein Gedanke dazu – immerhin lag der Fehler nicht bei mir, und ich bin durchaus in der Lage, mit Büchern vernünftig umzugehen.

Andererseits war da aber noch ein anderer Stempel: „Nur an Personen ab 18 Jahre ausgeben“. Warum nun das? Wohl kaum, weil die Studenten durch den Wegfall der Wehrpflicht und die Verkürzung der Schulzeit immer jünger werden. Auch die Schüler aus der Stadt, die ab und an zum Lernen verschüchtert durch die labyrinthartigen Gänge unserer Universitätsbibliothek schleichen, müssen vor einem so speziellen und vorrangig in „einschlägig vorbelasteten“ Kreisen bekannten Buch sicherlich nicht geschützt werden.

Warum Wissenschaft verbergen?

Dadurch, daß das Buch im Archiv verborgen ist (wo man es über den virtuellen Katalog der UB nur findet, wenn man genau weiß, wonach man sucht) und auch noch einen „Ab 18“-Stempel trägt, fristet dieses Werk des jungen Chemnitzer Nachwuchspolitologen ein Dasein, daß einem von der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ indizierten Medium gleichkommt: Es muß „unter der Theke“ gehalten werden, und Minderjährige dürfen keinen Zugriff darauf erhalten.

Warum das alles? Selbstverständlich kommen einem da zu allererst die üblichen politischen Motive in den Sinn – gerade beim scharfen Antisemitismus der thematisierten „Protofaschisten“ der französischen Schule. Derartige Ressentiments auf ein wissenschaftliches Werk anzuwenden, ist natürlich vollkommener Schwachsinn; immerhin geht es hier nicht um eine geschichtsrevisionistische Kampfschrift, sondern um eine politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den politischen Vorstellungen Drieu la Rochelles und deren Abbildungen in seinem literarischen Wirken. Ein Blick ins Literaturverzeichnis vermag gleichsam nicht zur Lösung des Rätsels beizutragen, da weder umfangreich aus „Mein Kampf“, noch aus dem „Mythus“ zitiert wird.

Gewollt, doch nicht gekonnt

Die Frage, weswegen Kaisers Untersuchung offenbar in eine Art bibliotheksinternen index librorum prohibitorum aufgenommen wurde, muß also offenbleiben. In jedem Fall ist dieser administrative Akt vollkommen überflüssig, da eh kaum ein Minderjähriger in einer solchen Bibliothek nach ausgerechnet diesem Buch suchen würde. Ob anderen Büchern gleiches angetan wurde (und wenn ja, welchen), vermag ich nicht zu sagen – dennoch kann man wohl davon ausgehen.

Vielleicht möchte man gerade in den gegenwärtigen Zeiten der EU-Krise divergierende Europakonzeptionen aus den Köpfen heraushalten? Das dürfte mit einem einfachen Sperrvermerk wohl nicht getan sein, zumal Kaisers Buch und damit Drieu la Rochelles Arbeit so quasi zur „Geheimen Kommandosache“ gemacht wird und eher Neugier weckt. Wer mag, darf sich nun gern Verschwörungstheorien und dem üblichen Beklagen der „deutschen Zustände“ hingeben. Da der Bannstrahl aus den oben angeführten Gründen aber vollkommen fehlgeht und offenbar nicht einmal das Bibliothekspersonal selbst weiß, welche Bücher zurückgehalten werden sollen, bleibt mir zu dieser Sache nur ein spöttisches „Netter Versuch!“

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