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Verglaser der alten Bundesrepublik

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Dem neuen demokratischen Deutschland hat er laut Spiegel Online ein „junges Gesicht geschenkt“. Luftig und transparent seien seine Schöpfungen gewesen; gar als „Baumeister der Demokratie“ habe er gewirkt – mit solchen Schmeicheleien huldigt das Feuilleton Günter Behnisch, der am vergangenen Montag im Alter von 82 Jahren verstarb. Selbstverständlich war der Architekt ein Bewunderer Willy Brandts und fühlte sich „dem Verfassungspatriotismus von Jürgen Habermas verpflichtet“, was ebenfalls als Lob gemeint ist.

Auf dem Zenith seines Ruhmes stand der altbundesrepublikanische Staatsarchitekt 1972 mit dem Bau des Münchner Olympiastadions, das in seiner zeltartigen Leichtigkeit als Gegenthese zu den Monumentalbauten des Nationalsozialismus verstanden werden sollte. Symbolpolitisch paßte es, daß Behnischs bereits 1973 konzipierter, aber erst 1987 abgesegneter Entwurf für den Neubau des Bundestages bei der Fertigstellung 1992 durch die Wiedervereinigung und den geplanten Umzug des Parlaments nach Berlin überholt war. Behnisch, der Mann von gestern, reagierte „vergrätzt“.

Angeblich habe der 1922 in Lockwitz bei Dresden geborene Sachse mit Preußen nie viel anfangen können – vielleicht aber auch nicht mit der Wiedervereinigung, mit Deutschland überhaupt sowie mit der deutschen Kultur, als deren ein für allemal zu überwindenden architektonischen Ausdruck er nur die Repräsentationsbauten von Wilhelminismus und Drittem Reich erkennen konnte.

Zerstörung der deutschen Stadtbilder

Natürlich ist die Kritik am brachialen Neoklassizismus seiner Vorgänger in der Rolle der Hofarchitekten nicht unberechtigt, aber gerade die unbedingte Favorisierung von Glas als Baustoff belegt diese negative, phantasielose Fixierung: Entsprechend der nach 1945 von den Siegermächten erzwungenen und von den Deutschen zunächst erduldeten, bald aber verinnerlichten Abkehr von eigenständiger Politik verdeutlicht die Verglasung der deutschen Städte den Verzicht auf jede Art von Gestaltungswillen.

Glasarchitektur strebt danach, sich selbst unsichtbar zu machen; sie liefert allein den funktionalen, das äußere Klima abwehrenden Zweck von Gebäuden und erschöpft sich wie die zugehörige Ideologie von Habermas und seinen Nachsprechern in Negation, Reduktionismus und Formalismus. Der jede historische Kontinuität abbrechende Konstruktivismus setzt die Zerstörung der deutschen Stadtbilder im Zweiten Weltkrieg, durch die das architektonische Antlitz Deutschlands ausgelöscht werden sollte, mit anderen Mitteln fort.

Er folgt also einer militärischen Dekonstruktion und bereitet einen neuen postmodernen Dekonstruktivismus vor: Was wie Shoppingcenter und Sporthallen (mit deren Bau Behnisch seine Karriere begonnen hat) heute aus rein praktisch-funktionalen Gründen – in Abkehr von jeder geschichtlichen, landschaftlich-volkstümlichen oder metaphysischen Verankerung – errichtet wird, kann morgen wieder abgerissen werden, wenn es überflüssig geworden oder ein „Investor abgesprungen“ ist.

Publizierung und Politisierung des Privaten

Nicht zufällig ist das Olympiastadion ein stählernes Zelt: das perpetuierte und dadurch zwanghafte Nomadenzelt des entwurzelten, ortlosen Menschen – nur mit dem Unterschied, daß auch die Jurte des Tataren einer in Kultur und Landschaft verwurzelten Lebensweise entsprach und wie jede traditionale Bauweise der Erde als Lebensraum des Menschen ein Gesicht verlieh.

Die abstrakten Glas- und Stahlkonstruktionen eines Behnisch sind demgegenüber gesichtslos und, wenn auch in anderem Sinne, vergleichbar inhuman wie die Gewaltfassaden der Hitler- und Stalinzeit: Bringen deren undurchsichtige Mauern den Herrschaftswillen vermittels eines im Verborgenen operierenden, dabei alles durchdringenden, totalitären Staatsapparates zum Ausdruck, so sprechen aus der fassadenlosen Transparenz die vollständige Sichtbarmachung des Menschen im Zeitalter der totalen Kommunikation, die Publizierung und Politisierung des Privaten, die Unduldsamkeit gegenüber dem Persönlichen.

Der gläserne Bürger aber ist in letzter vielleicht nicht mehr ferner Konsequenz derjenige, dessen Ausweis eine Nummer trägt, die zugleich als Konto-, Steuer- und Krankenversicherungsnummer dient und dabei auch noch Auskunft über den Gencode des Inhabers erteilt.

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