Den Nazijägern gehen die Nazis aus. Dickfische gibt es schon lange nicht mehr zu harpunieren. Die Verzweiflung muß beträchtlich sein, wenn jetzt schon Schornsteinfeger und Kindergärtnerinnen als rituelle Sühneopfer verfolgt werden.
Der Rauswurf der Erzieherin Birkhild T. aus einer Lüneburger Kindertagesstätte steht der regierungsamtlichen Berufsverbotskampagne gegen den sachsen-anhaltinischen Schornsteinfegermeister Lutz Battke in jeder Hinsicht unwürdig zur Seite: Die linksradikale taz ruft bei der Kita-Leiterin an – hallo, Sie haben da eine rechtsextreme Erzieherin, deren Ehemann in Meck-Pomm NPD-Kreisvorsitzender ist –, und zwei Stunden später verkündet der Pressesprecher der Stadt auch schon, die Frau sei „vom Dienst freigestellt“.
Man muß die NPD nicht mögen, um angesichts des fallbeilartig mit Sippenhaft und Berufsverbot zelebrierten quasi-totalitären Gesinnungsterrors ein Frösteln zu verspüren. Selbst einigen taz-Lesern ist das aufgefallen. Nicht etwa, daß man der Frau konkrete Verstöße zur Last legen könnte, daß sie etwa die ihr anvertrauten Kinder extremistisch indoktriniert hätte – O-Ton taz:
„Von der politischen Tätigkeit wußten wir nichts“, sagt die Leiterin der Tagesstätte Marienplatz, die am Telefon hörbar bewegt ist. Kennt sie T. doch schon aus der Ausbildungszeit. „Nichts ist mir aufgefallen“, sagt sie. „Ganz liebevoll geht sie mit den Kindern um.“
Die falsche Gesinnung, der falsche Ehepartner reicht
Offenkundig hat die abservierte Erzieherin ihren Beruf ebenso untadelig ausgeübt, wie Meister Battke nicht durch nationalsozialistisches Schornsteinfegen oder arisches Herrenmenschen-Kicken im von ihm gegründeten Fußballverein aufgefallen ist, aus dem man ihn inzwischen herausgeekelt hat. Die falsche Gesinnung, der falsche Ehepartner reicht, um selbst den Unbescholtensten zu verdammen – da ist die PC-Inquisition so unerbittlich wie der Patriarch in Lessings „Nathan“: „Tut nichts, der Jude wird verbrannt!“.
Im zitierten taz-Artikel klingt das Rauschgefühl der Macht noch nach, in dem sich der Redakteur gesonnt haben mag, der mit seinem Anruf die Lüneburger Kita-Leiterin zum Zittern gebracht hatte. Wir, die heilige Inquisition, erkennen Nazis, Ketzer und Hexen besser als ihr, der dumme Pöbel, und wehe, ihr bringt sie nicht sogleich auf unser Geheiß auf den Scheiterhaufen, dann steckt ihr mit ihnen unter einer Decke und seid selber dran.
Wie ihre historischen Vorbilder stützen die modernen Inquisitoren ihre Einschüchterungskraft auf die von ihnen selbst geschürte Angst vor einer heimlichen „Unterwanderung“ durch das Böse, die nur sie durchschaut haben wollen. So hat Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Schwesig schon ihren Gesinnungs-TÜV für Kindergärtnerinnen begründet, den der Lüneburger ver.di-Sprecher nach erfolgreich statuiertem Exempel am liebsten gleich für ganz Niedersachsen übernehmen würde.
Totale Vernichtung der sozialen Existenz
Vor kommunistischen Schlotfegern und Kindergärtnerinnen schützt uns und unsere Kinder übrigens keiner. Versuchte man es, könnte man auch wohl so manche Kita nicht nur im Nordosten dichtmachen und müßte zudem – und zu recht – mit wütenden Protesten rechnen. Gesinnungsterror aber schafft um so mehr Befriedigung, wenn die inkriminierte Minderheit schon hinreichend marginalisiert und wehrlos ist.
Ultimative Genugtuung bereitet bei diesem Ritual freilich erst die totale Vernichtung der sozialen Existenz der willkürlich herausgegriffenen Feindverkörperung. Anklagevorwände finden sich bei Bedarf immer. Warum nicht „den Rechten“ als nächstes verbieten, als Arzt, Verkäufer, Krankenpfleger oder Taxifahrer zu arbeiten? Da kommen sie schließlich auch mit anderen Menschen zusammen und könnten ihnen ihr „Gedankengut“ aufdrängen.
Die Hitler kommen und gehen, die Blockwarte bleiben bestehen. Darauf konnte schon die DDR 1.0 bauen. In der schönen neuen Groß-DDR gehen die Schnüffler und Denunzianten in der Tat wieder goldenen Zeiten entgegen.