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Geld gegen Glaube

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Unser Außenminister Guido Westerwelle präsentierte eine neue deutsche Afghanistan-Taktik: Defensiver soll sie sein, mehr auf Ausbildung setzen. Den sogenannten „Taliban“, die keine mehr sein wollen, soll eine Ausstiegsprämie gezahlt werden. In Anbetracht der Tatsache, daß die „Taliban“ in den vergangenen Jahren zum Inbegriff des Bösen stilisiert wurden, erscheint diese Lösung ein klitzekleines bißchen zu einfach.

Man kann nur hoffen, daß eine Kommission von Fachleuten nach penibler Lageanalyse zu solchem Handeln geraten hat. Denn für Außenstehende sind solche Entschlüsse unbegreiflich. Wie soll sich Westerwelles liberale Idee der finanziellen Anreize auf die afghanische Realität auswirken?

Sicherlich gibt es dort Städte wie Kabul, in denen Einheimische immerhin eine Ahnung vom Westen haben. Aber es gibt in diesem Land auch Gegenden, in denen die Menschen zwar eine Maschinenpistole tragen, aber noch nie Motorengeräusche gehört haben. Es gibt dort Menschen, die keine Bezeichnung für „Zeit“ kennen.

Westerwelles verzweifelte Geschenke

Freilich sind das extreme Beispiele. Aber sie bieten eine Vorstellung davon, daß die vielen Völker Afghanistans anders sind als wir. Und das nicht im Sinne von „besser“ oder „schlechter“, sondern bloß: Sie denken anders, fühlen anders, geben den Worten eine andere Bedeutung. Die Idee von Verträgen mag universell sein. Doch Geschäfte nach dem Motto „Geld gegen Glaube“ funktionieren selten.

Die Idee hinter Westerwelles verzweifelten Geschenken ist wahrscheinlich, daß man den Afghanen von einer überlegenen Position herab wohlwollend die Hand reichen möchte: „Schlag ein, dann ziehe ich dich aus deinem Dreckloch heraus in meine feine Welt des umfassenden Wohlstands hinein.“ Aber so funktioniert das nicht. Der Westen muß sich von der Überzeugung lösen, die Überlegenheit des Lebensstandards sei das ausschlaggebende Indiz für die Überlegenheit einer Kultur.

Dimension des Geistigen

Dazu ein Gedankenspiel: Man stelle sich vor, Europa erlebte einen wirtschaftlichen Totalzusammenbruch samt einem jahrelangen Bürgerkrieg. Und dann kämen kulturell und ökonomisch überlegene Saudis mit Geldgeschenken. Damit würden sie uns Straßen bauen, unsere Streitkräfte mit einer arabischen Philosophie neu ausbilden und uns mit einem islamischen Wirtschaftssystem bereichern; natürlich nur unter der Bedingung, daß wir die Scharia akzeptierten und unsere kirchlich getragenen Schulen schlössen.

Würden wir das als einen Affront empfinden? Würden sich vielleicht auch „gemäßigte“ Europäer bedroht und beleidigt fühlen? Wer würde dieses Angebot annehmen? Vielleicht die Verschlagenen; natürlich auch die Familien, die ihre Kinder durchbringen möchten. Aber wer wäre denn loyal, wenn die Geldgeber sich für einen Moment umdrehten? Oder schlimmer noch: Wenn die Geldtöpfe eines Tages leer wären?

Westerwelles Einfall ist so geistlos: Sein liberales Weltbild kennt die Dimension des Geistigen, der selbstlosen Motivation, der Gruppenzugehörigkeit nicht.

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