Endlich ein Vorstoß zur stärkeren Förderung der deutschen Sprache im Ausland! Und was macht das deutsche Feuilleton? Das, was es am besten kann: besserwisserisch nörgeln, mosern, schlechtreden. Tatsache ist, daß immer weniger Menschen im Ausland die deutsche Sprache lernen. Waren es im Jahr 2000 noch 20,2 Millionen Menschen, so sank die Zahl im Jahr 2005 auf 16,7 und im Jahr 2010 auf 14,5 Millionen Menschen – bei gleichzeitig stark wachsender Weltbevölkerung. Besonders dramatisch ist der Rückgang in Rußland, wo Englisch das Deutsche als erste Fremdsprache verdrängt hat, und in Großbritannien, dessen Regierung den Unterricht in allen Fremdsprachen systematisch abbaut. Lichtblicke gibt es lediglich in Polen und Frankreich.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat nach seinem Auftritt im Herbst des vergangenen Jahres, als er die „wunderschöne deutsche Sprache“ lobte, zu beweisen, daß er es mit seinem Bekenntnis ernst meint. In dieser Woche stellte er nun ein Programm des Auswärtigen Amtes vor, mit dem die besorgniserregende Entwicklung der vergangenen zehn Jahre umgekehrt werden soll. Ziel ist es, im Ausland wieder mehr Lust auf die deutsche Sprache zu wecken. Der Titel der Initiative lautet: „Deutsch – Sprache der Ideen“.
Die Feuilletons ätzen
Thomas Steinfeld, Feuilleton-Chef der Süddeutschen Zeitung, ätzte als erster gegen die Kampagne und belehrt: „Denn was bedeutet ‚Sprache der Ideen‘? Soll damit gesagt werden, daß die ‚Ideen‘ eine ‚Sprache‘ haben, oder daß die ‚Sprache‘ ‚Ideen‘ hat, ist von den ‚Ideen‘ in der ‚Sprache‘ oder von den ‚Ideen‘ von der ‚Sprache‘ die Rede? Das ist nicht einerlei.“ Steinfeld schwadroniert über „Überheblichkeit“ und „Purismus“; mit keinem Wort erwähnt er jedoch den Sinn, der hinter der Initiative „Deutsch – Sprache der Ideen“ steht.
Die Zeit macht es nicht besser und veröffentlichte einen Beitrag, der sich ebenfalls nicht mit den Inhalten der Kampagne auseinandersetzt. Statt dessen erschöpft er sich selbstverliebt und zusammenhanglos in sinnfreien Wortspielereien. Auch Reinhard Mohr spöttelt im Spiegel lieber über das offenbar wenig erbauliche Rahmenprogramm der Auftaktveranstaltung von „Deutsch – Sprache der Ideen“, statt sich mit dem ernsten Hintergrund zu beschäftigen.
Das Werben für Deutsch als Fremdsprache reduziert er auf die Anstrengung, anderen beizubringen, „seltsame Wörter wie ‚Radkappe‘ oder ‚Starthilfe‘ zu lernen“. Die Botschaft der deutschen Feuilletons läßt jedenfalls an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die Förderung der deutschen Sprache im Ausland, das Stemmen gegen den Bedeutungsverlust des Deutschen, diese wichtigen Dinge gehen ihnen gänzlich am Allerwertesten vorbei.
Wurde das Geld sinnvoll eingesetzt?
Daß etwas getan wird, ist jedoch mehr las notwendig. Doch so willkommen dieser außenpolitische Vorstoß ist, er bleibt wirkungslos, wenn die innenpolitischen Hausaufgaben nicht gemacht werden. Westerwelle behauptet etwa: „Deutsch ermöglicht individuelle Chancen. Es öffnet den Weg zu einem der besten Ausbildungssysteme der Welt und stärkt natürlich auch den Wissenschaftsstandort Deutschland.“ Warum läßt es die Bundesregierung dann zu, daß die deutsche Sprache an deutschen Schulen und Hochschulen immer weiter durch Englisch ersetzt wird?
Allein im Jahr 2009 gab Deutschland für die auswärtige Sprach- und Kulturpolitik nach Angaben Westerwelles 750 Millionen Euro aus. Warum ist die Nachfrage dennoch stark gesunken? Wurde das Geld sinnvoll eingesetzt? Sind die bestehenden Einrichtungen überhaupt in der Lage, nachhaltig für die deutsche Sprache zu werben? Machen das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, der Pädagogische Austauschdienst, das Institut für Auslandsbeziehungen und die Deutsche Welle Fehler, die abzustellen sind?
Sind die Strukturen vielleicht zu verkrustet? Waren sie vielleicht zu sehr mit der Vermittlung deutschen Gutmenschentums beschäftigt? Auch diese Fragen müssen gestellt werden, auch diesen Fragen muß sich Westerwelle stellen. Das kleinkarierte, unsachliche Spötteln der deutschen Feuilletons hingegen ist fehl am Platze. Sie haben den Ernst der Lage nicht erkannt. Die verlieren lieber eine gute Sprache, als auf eine Pointe zu verzichten.
Die wirklichkeitsnahen Worte des Präsidenten des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann gegenüber dem Deutschlandfunk geben jedoch Hoffnung. Er benannte die Schwachstellen der deutschen Sprachpolitik und erklärte: „Wir sollten bewußter mit unserer eigenen Sprache umgehen. Diese Leidenschaft und dieses Engagement würden dann auch ins Ausland ausstrahlen.“