Wer im kommenden Sommer eine Lehrstelle antreten will, hat in der Regel schon zahlreiche Bewerbungen geschrieben und abgeschickt. In diesen Wochen finden in vielen Betrieben sogenannte Eignungstests statt, bei denen nicht nur angelerntes Wissen und praktische Fähigkeiten geprüft werden, sondern zunehmend auch psychologische Kriterien eine Rolle spielen.
Eine Eigenschaft, die für Personalchefs seit einigen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die Teamfähigkeit. Da es in einem Betrieb sehr wichtig ist, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, und sich Menschen mit sozialen Defiziten negativ auf das Betriebsklima auswirken, wird dort seit einigen Jahren der Teamgeist beschworen.
Doch jetzt scheint eine Trendwende in Sicht. Die Welt hat kürzlich in einem Artikel „Das Ende des Mythos von der Teamfähigkeit“ vorhergesagt. Die „ritualisierte Mittelmäßigkeit des Gruppenzwangs“ und ein „harmoniegesteuerter Herdentrieb“ begünstigen eine „Tendenz zur Gleichmacherei“. „Wer Teamfähigkeit fordert, bekommt graue Mäuse.“
Menschen, die den Betrieb weiterbringen und die für Führungspositionen geeignet sind, sehen anders aus. „Leute mit Ecken und Kanten, die sich auch gegen den Teamtrend durchsetzen können, tragen oft zum Erfolg bei.“ Gerade diese Menschen mit „Ecken und Kanten“ wurden in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren zu sehr vernachlässigt.
In der Kirche gehen die Uhren immer ein wenig nach
Dasselbe läßt sich leider auch in der Kirche beobachten. Man müsse weg vom Modell des Priesters als Einzelkämpfer, lautet hier immer noch die Parole. In den großen Seelsorgeeinheiten, die jetzt allerorts gebildet werden, übernehmen Leitungsteams die Führung. Gab es in den fünfziger und sechziger Jahren noch kernige Priester mit Persönlichkeit, ist heute über weite Strecken der integrierende Managertyp anzutreffen, der sich müht, allen Gruppen in der Pfarrgemeinde gerecht zu werden.
Aber dieser Mann gibt keine Richtung vor. Er ist nur noch Verwalter, der die Verantwortung an seine zahlreichen Gremien abtritt. Nach biblischem Sprachgebrauch soll er jedoch der Hirte sein, der seine Herde führt. Daran erinnert die in vielen Teilen Deutschlands übliche Anrede des Pfarrers mit „Herr Pastor“.
Manchmal bedauere ich es, daß in der Kirche die Uhren immer ein wenig nachgehen. Die Forderung nach Pfarrern mit Teamgeist entsprang einem egalitären, nicht-hierarchischen Kirchenbild und ist längst überholt. In einer glaubensschwachen Zeit wie der unseren konnte gerade durch solche Strukturen viel Ungeist in die Gemeinden eindringen. Für einen Pfarrer sind noch andere Qualitäten erforderlich, in erster Linie Glaubenstreue und Führungsstärke. Neue Pfarrer braucht das Land!