Das Experiment ist beendet. Und ich muß sagen, es hat mir zum Schluß keinen Spaß mehr gemacht. Zum einen waren am Ende des Monats nur noch 15 Cent übrig, zum anderen ist es etwas bedrückend, schön geschmückte Schaufenster zu betrachten und sich trotzdem nur das Notwendige leisten zu können. Aber dafür ist die soziale Grundsicherung auch nur vorgesehen; für das Notwendige.
Zunächst noch einmal die gerundeten Beträge, die mir diesen Monat zur Verfügung standen:
Regelsatz für Erwachsene, monatlich, Beträge gerundet
Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke 128,50
Bekleidung, Schuhe 30,00
Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung 30,00 (ohne Miet- und Heizkosten, die separat erstattet werden)
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände 27,00
Gesundheitspflege 15,00
Verkehr 23,00
Nachrichtenübermittlung 32,00
Freizeit, Unterhaltung, Kultur 40,00
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen 7,00
Andere Waren und Dienstleistungen 26,50
Gesamt 359,00 Euro
Den mir zur Verfügung stehenden Regelsatz für diesen Monat in Höhe von 359 Euro habe ich nahezu komplett ausgegeben. Aber nur deswegen, weil ich zu viel für den öffentlichen Nahverkehr und für Freizeitaktivitäten ausgegeben habe. Grundsätzlich ist es meines Erachtens problemlos möglich, von Hartz IV zu leben.
Von den 128,50 Euro für Nahrungsmittel habe ich nur fast 80 Euro ausgegeben. Die übrigen 48,50 Euro habe ich für Bus- und Bahnfahrten ausgegeben, um zum wöchentlichen Schafkopfspielen nach Marburg und zum Tanzkurs nach Gießen zu gelangen.
Ein Zuverdienst wäre kein Problem
Genau wegen dieser Freizeitaktivitäten habe ich auch die Kostenblöcke „Freizeit, Unterhaltung, Kultur“ (40 Euro/Monat), „Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen“ (7 Euro/Monat) und „Andere Waren und Dienstleistungen“ (26,50 Euro/Monat) überzogen und die zur Verfügung stehenden Beträge von „Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung“ und „Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände“ dafür hergenommen.
Als Hilfebedürftiger in der Grundsicherung konnte ich nahezu genauso leben wie vorher. Einmal pro Woche ausgehen, einmal pro Woche tanzen, einmal im Monat ins Kino gehen und die Zeitung JUNGE FREIHEIT im Sozialabo; all das ist möglich. Wenn ich nun noch Regale aufgefüllt hätte im örtlichen Supermarkt, hätte ich noch 100 Euro im Monat als Extra-Verdienst und noch nicht mal die Kostenblöcke Wohnen & Haushalt belasten müssen.
Einen Job zu finden und 100 Euro im Monat zu verdienen, war zumindest für mich problemlos möglich; der erstbeste örtliche Supermarkt hätte mich genommen. Ich erwarte von 95 Prozent der Hilfebedürftigen, daß sich diese auch etwas dazu verdienen und nicht nur auf den Staat als Heilbringer hoffen.
Für den Posten „Bekleidung“ (30 Euro) habe ich 27 Euro ausgegeben, weil ich mir etwas gekauft habe. Meines Erachtens sind 32 Euro für „Nachrichtenübermittlung“ angemessen; diese habe ich komplett für Telefon und Internet angesetzt. Ich persönlich habe als Selbständiger derzeit eine höhere Grundgebühr, als Hilfebedürftiger würde ich aber auch mit 32 Euro auskommen können und müssen.
„Arbeiten ist besser als Betteln“
Für eine private Haftpflichtversicherung habe ich diesen Monat fünf Euro angesetzt. Ein Buch oder eine CD konnte ich mir diesen November nicht leisten, dafür gibt es jedoch meines Erachtens öffentliche Büchereien für die Allgemeinheit. Außerordentliche Kosten, zum Beispiel für Reparaturen oder Ersatzbeschaffungen, hatte ich keine, habe aber auch keine Rücklagen gebildet. Dies wäre aber möglich gewesen, wenn ich mich bei meinen Freizeitaktivitäten eingeschränkt hätte.
Mitgliedschaften, zum Beispiel in einem Sportverein oder einer Partei, sind möglich, müssen aber den Kosten für Freizeitaktivitäten zugeordnet werden. Daß eine Mitgliedschaft in einem Golfclub oder Yachtclub nicht möglich ist, muß hier nicht erwähnt werden. Dafür ist Hartz IV jedoch auch nicht gedacht.
Im Endeffekt muß ich zwei Lesern recht geben: Mit der Grundsicherung in Deutschland läßt es sich zwar nicht komfortabel, aber durchaus menschenwürdig leben. Und ich bin froh, daß für mich das Hartz-IV-Experiment beendet ist.
Für über 6,55 Millionen Menschen geht es auch in der Adventszeit weiter. Lassen Sie mich dabei eine Szene aus der vergangenen Woche in einer deutschen Fußgängerzone beschreiben: Zwischen diesem Lichterglanz und dem Konsumrausch sitzt ein älterer Mann hinter einem Tisch und verkauft selbstgeschnitzte Holzfiguren. Vor ihm steht ein Pappschild mit der Aufschrift: „Arbeiten ist besser als Betteln“. Er hat recht.
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