Längst vorbei sind die Zeiten, in denen das von seinen Anfängen an links positionierte Kabarett für halbwegs geistvolle Kritik, Parodien oder intelligente Schmähreden stand. Mit einer gewissen Wehmut erinnert man sich zum Beispiel an Dieter Hildebrandts „Notizen aus der Provinz“ oder an Matthias Beltz.
Mochte man die hier vertretenen politischen Positionen auch nicht teilen, so wurde man doch auf einem gewissen Niveau unterhalten. Heute ist die Szene – sieht man von einigen wenigen Könnern ab – vor allem von Witzemachern, „Comedians“ oder „Clowns“ bevölkert, die die Abwesenheit jeglichen Esprits zum Prinzip erhoben haben. Kaum eine Schamgrenze, die inzwischen nicht überschritten wird.
Blöde Situationen
Zu den erklärten „Witzemachern“ gehören zum Beispiel die deutsch-österreichischen Politkasper Christoph Grissemann und Dirk Stermann, die im abgelaufenen österreichischen Bundespräsidentschaftswahlkampf in ihrem „Satireformat“ „Willkommen Österreich“ immer wieder Kostproben ihres zeitgeistigen Fertigfutters lieferten, wohlwissend, daß sie, wie im Fall ihres Rosenkranz-Bashings, die Schulterklopfer auf ihrer Seite haben.
Einer der Höhepunkte ihres Witzereißens auf Kosten einer Frau, die medial bereits als „Kellernazi“ abgestempelt und zum Abschuß freigegeben war, war Stermanns Sottise: „Barbara Rosenkranz hat gejubelt. Einem österreichischen SS-Mann wurde der Oskar verliehen.“ „Witze“ wie diese haben bei Stermann System, erklärte er doch in einem Interview mit dem Kurier: „So Leute wie der Strache mögen es, wenn sich viele über sie empören. Wenn man zum Beispiel sagt, ‚er ist ein ganz Gemeiner und Böser‘, kann er damit gut umgehen. Aber er mag es nicht, wenn man sich über ihn lustig macht. Weil er dann in eine blöde Situation kommt.“
Haider erschießen
Leider werden Stermanns und Grissemanns „Witze“ nicht immer goutiert; so empörten sich 1999 viele Österreicher über folgendes: „Ich glaube, wenn man Jörg Haider stoppen wollte, dann müßte man ihn erschießen.“ Dieser „Witz“ führte doch tatsächlich zu einer kurzen Auszeit der beiden Scherzkekse im ORF. Der linkslastige Sender hob diese Suspendierung aber schon einige Monate später wieder auf. Und weil’s so witzig war, legten die beiden einige Tage nach dem Tod von Jörg Haider in ihrer Sendung „Willkommen Österreich“ nach:
Grissemann: „Mittlerweile spricht man in Kärnten über Wunder und Erscheinungen, angeblich ist vorgestern Jörg Haider drei slowenischen Hirtenkindern erschienen.“
Stermann: „Was? Und?“
Grissemann: „Abgeschoben!“
Stermann: „Ehrlich?“
Grissemann: „Ja, selbstverständlich. Und Jörg Haider hat angeblich auch zu einer Kärntner Jungfrau gesprochen. Aus einer brennenden Ortstafel heraus!“
Die Heitmann-Rosenkranz-Parallele
Um an dieser Stelle noch einmal auf den Bundespräsidentschaftswahlkampf zurückzukommen: Gewisse Parallelen zur Kandidatur des Unionskandidaten Steffen Heitmann im Jahre 1993/94 waren hier nicht zu übersehen. Heitmann hatte es damals doch tatsächlich gewagt, gewisse Tabuthemen anzusprechen. Er machte sich zum Beispiel dafür stark, die „deutsche Nachkriegssonderrolle“ zu beenden. Überdies wandte er sich gegen die „Tabuisierung“ des „Themas Ausländer“.
Auch hier standen „kritisch engagierte“ Kabarettisten in der ersten Reihe, als es darum ging, „antifaschistischen Widerstand“ zu leisten. Richard Rogler zum Beispiel, der seit 2000 den ersten deutschen (Honorar-)Professor für das Fach Kabarett mimt, ließ folgendes vom Stapel: „Steffen, du wirst Präsident, keine Sorge, wir machen das! Auf deinen Berliner Amtssitz, da kommt die Reichskriegsflagge drauf, Auschwitz wird internationales Tagungszentrum, und deine Frau wird am Herd festgekettet, wenn sie für dich Königsberger Klopse macht …“
Bei dieser Art „Widerstand“ wollte auch der Spaßvogel Hans Scheibner nicht außen vor bleiben, der klarmachte, daß Menschenwürde nur für politisch korrekt Denkende reserviert ist. Auf eine Erklärung Heitmanns zum Thema Abtreibung – „Hätte meine Mutter so gedacht wie viele Frauen heute, ich wäre nicht auf der Welt!“ – entgegnete Scheibner: „Ja, schade Frau Heitmann, den Bundespräsidenten hätten Sie rechtzeitig verhindern können.“
Wenig amüsiert zeigte sich Scheibner allerdings, als er Strafanzeige wegen Beleidigung und Verleumdung gegen den CDU-Politiker Arnold Vaatz stellte. Der hatte ihm wegen seiner Äußerungen zu Heitmann doch tatsächlich vorgeworfen, auf „faschistisches Gedankengut“ zurückgegriffen zu haben. Hat Vaatz hier womöglich einen Witz machen wollen?