Die Europäische Zentralbank finanziert Deutschland derzeit maßgeblich den umjubelten Aufschwung. Da sich der Zinssatz der EZB an den Wirtschaftsdaten des gesamten Euroraums orientiert, befindet sich der gegenwärtige Zins für den Primus Bundesrepublik weit unter dem angemessenen Niveau.
Während das hierzulande die Wirtschaft auf brausende Fahrt bringt, was sich die Politik selbstgefällig zugute hält, hängen Spanien und Griechenland durch, weil das derzeit für Deutschland komfortable Zinsniveau für sie wiederum noch viel zu hoch ist. Wirtschaftliche, finanzpolitische und fiskalische Unterscheide lassen sich eben nicht nivellierend „integrieren“, sondern führen im Euroraum gerade jetzt zu fatalen Verwerfungen.
Warnung vor der rapide steigenden Staatsverschuldung
Genau das lief bis 2009 andersherum: Deutschland litt seit der Euro-Einführung unter einem viel zu hohen Zinsniveau, was die Löhne und Preise nur gering steigen ließ, während die sich in den boomenden EU-Ländern Spanien und Irland kräftig erhöhten. Deutschland tut jetzt die neue Niedrigzinsphase gut, birgt aber die Gefahr, dass sich dadurch neuen Finanzblasen bilden, beispielsweise auf dem Immobilienmarkt.
Die Konjunkturforscher der führenden Wirtschaftsinstitute dämpfen trotz der guten Wachstumsperspektiven die politische Kraftmeierstimmung. Sie warnen vor der rapide steigenden Staatsverschuldung, begrüßen zwar die Haushaltssanierung, kritisieren aber Schäubles Bilanztricksereien, weil der 2010 mit einem Defizit von 53 Milliarden Euro ansetzt, dieser Ausgangspunkt aber wegen der ungewöhnlich guten Konjunktur eigentlich bei 45 Milliarden liegen müsste.
Wegen dieser zugrunde gelegten eindeutig veralteten Zahlen darf der Bund zwischen 2011 und 2025 viel mehr Kredite aufnehmen als nötig wären, fast 30 Milliarden Euro. Außerdem bleibt offen, ob die Kernbrennstoffsteuer und die Streichung von Ökosteuerausnahmen überhaupt durch das Parlament kommen. Um die in Zeiten der Krise geradezu beschrieene Finanztransaktionsteuer drückt sich die Lobbyisten- und Klientelpolitik sowieso noch herum.
Gewinne privat, die Schulden zum Staat!
Bedenklicher als all diese Buchhalterei stimmt mich jedoch eine politische Tatsache: Während sich die Regierung das Wirtschaftswachstum als ihre eigene Leistung propagandistisch gutschreibt, sind in diesen vermeintlich rosigen Zeiten immer weniger Bürger zufrieden mit der Bundespolitik. Sehr zufrieden sind nach einer aktuellen Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung nur noch 18 Prozent.
Gut, das ist keine revolutionäre Situation, aber insofern signifikant, als daß ein Gemeinwesen instabil wirkt, wenn es nicht einmal in Aufschwungsperioden Identifikation ermöglicht, sondern die Exklusion wächst. Viele Bürger werden es nicht vergessen haben, daß es die sogenannte öffentliche Hand war, die den Banken aus der Misere half, indem sie Mittel dazu von den Bürgern nahm: Gewinne privat, die Schulden zum Staat!