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Thomas Bernhard oder: Die Fische auf den Berg tragen

Thomas Bernhard oder: Die Fische auf den Berg tragen

Thomas Bernhard oder: Die Fische auf den Berg tragen

 

Thomas Bernhard oder: Die Fische auf den Berg tragen

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Thomas Bernhard, der Name war lange Zeit Synonym für endlose Nörgelmonologe auf der Bühne, in denen aktuelle Themen zu Schutt und Asche geredet werden; in endloser Wiederholung der gleichen Worte, bis deren Bedeutung ausgelöscht war. Weshalb ein Bernhard-Roman auch den Titel „Auslöschung” trägt.

Verzweiflung, Ekel und Sarkasmus bildeten eine dunkle Trinität. Seine Wut auf die Hohlheit des österreichischen Bürgertums machte Bernhard zum „Nestbeschmutzer Nummer 1”. Den Mittelpunkt dieser Dramen bilden oft Außenseiter, die sich über gesellschaftliche Dummheit stundenlang die Haare raufen.

Allerdings: Dieses literarische Nörgel-Karussel wurde bald langweilig, die Stücke sind zwanzig Jahre nach dem Tod des Autors nur noch für Sprachästheten von Interesse.

Auch ein melancholischer Dichter

Gegenwärtig, da nicht mehr der klerikal-faschistoide Kleinbürger sondern der wirtschaftsfixierte Wohlstandblödel das Problem darstellt, wirkt das Oeuvre wie ein Museumsstück aus vergangener Zeit. Nur Bernhards Maske als Nihilist und Zyniker hält immer noch.

Dabei gab es durchaus eine „andere Seite” des Thomas Bernhard: den melancholischen Dichter, der sogar Psalmen schrieb. Dieser Teil seines Werkes, obwohl längst publiziert, erfährt wenn überhaupt nur marginale Beachtung. Als Beispiel für diese unbeachteten Texte sei hier einer der Psalmen zitiert:

„Ich fürchte mich nicht mehr. / Ich fürchte nicht mehr, / was kommen wird./ Mein Hunger ist ausgelöscht, / meine Qual ist ausgetrunken, / mein Sterben macht mich glücklich. / Ich trage meine Fische / auf den Berg. / In den Fischen ist alles, / was ich zurücklasse. / In den Fischen ist meine Traurigkeit,- / und mein Scheitern ist in den Fischen. / Ich werde sagen, / wie herrlich die Erde ist / wenn ich ankomme, // Wie herrlich die Erde ist… // Ohne mich fürchten zu müssen…/ Ich erwarte, / daß mich der Herr erwartet.”

Gott und Kirche getrennt?

Thomas Bernhard! Unheilbar lungenkrank schrieb er Verse voll von Traurigkeit, Sehnsucht und – Hoffnung. Für Ekel ist kein Platz mehr, sogar die Erde ist ihm „herrlich”.

Daß er ausgerechnet im christlichen Glauben Halt fand, wo seine wilden Beschimpfungen gegen die katholische Kirche doch legendär sind. Oder trennte er Gott und Kirche? Selbst das ist fraglich.

Vorletzte Woche publizierte die Zeit einen frühen Vortrag Bernhards über Arthur Rimbaud. 1954 im Salzburger „Hotel Pitter” gehalten, war auch er ein „vergessener” Text. In Rimbaud sieht Bernhard einen Kämpfer gegen die Gesellschaft, einen Anwalt des Elementaren.

Anwaltschaft des Elementaren

Darin verteidigt er die – oft angegriffene und bezweifelte – Konvertierung des sterbenden Rimbaud zum Katholizismus und erklärt: „Man soll niemals über die Kirche spotten, aber man darf die schlechten Priester als schlecht bezeichnen und die niederträchtigen Nonnen als niederträchtig. Man muß aber auch den Glanz und die Güte Gottes preisen, wie es Rimbaud getan hat vom Anfang bis zum Ende, mit elementarer Gewalt”.

Diese Differenz zwischen der Kirche und einigen ihrer grausigen Amtsträger läßt sich später kaum mehr finden. Gesellschaftskritik und Anwaltschaft des Elementaren sind hier noch untrennbar. Wodurch der kritische Teil überhaupt nicht geschmälert wird.

Aber die andere, „elementare” Seite sorgt für eine zusätzliche Dimension. Es geht auch nicht darum, ihn nachträglich zum „christlichen Dichter” aufzumotzen. Nein, aber eine Frage drängt sich auf: Warum fand dieser Teil Bernhards so geringe Beachtung?

Verzicht des Westens auf Metaphysik

Antwort: Weil sein Publikum mit Ekel und Schimpfkanonaden vollends befriedigt war. Mehr brauchte es nicht. Mehr als „Auslöschung” hätte beim „No-Future-Zeitgeist“ Abwehrreaktionen provoziert. Ähnlich steht es um Bernhards Kollegin Elfriede Jelinek.

Selten und kaum merklich – wie in „Krankheit oder moderne Frauen” (1986) – wagt sie, ihre sprachakrobatischen Wuttiraden durch einen Augenblick von Zuneigung zu unterbrechen. Auch hier vermißt das Publikum nichts. Bestenfalls die Vertreter der Spaß- & Lifestyle-Gesellschaft stören sich am mangelnden Wohlfühl-Potential solcher Texte.   

Wenn Historiker einmal auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückblicken, werden sie dem Westen dann extreme Armut und Bescheidenheit diagnostizieren? Womöglich, denn neben materiellem Überfluß hat er ein Verzicht auf Metaphysik und Trost geübt, hat er die Sinnfrage derart zurückgedrängt, daß selbst brutalste Askeseübungen des Mittelalters dagegen harmlos wirken. Die Seele der westlichen Menschheit leidet immer noch an diesem Hungerschaden. 

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