Seine Freunde haben ihn später so beschrieben: Arno Esch war eine Ausnahmepersönlichkeit. Er war schüchtern im Umgang mit Mädchen, dafür aber ein rhetorisches und akademisches Talent. Er lebte spartanisch und nur für die Sache – die Opposition gegen die sich anbahnende SED-Herrschaft in Mecklenburg-Vorpommern.
Der aus Memel stammende LDP-Funktionär führte in den ersten Nachkriegsjahren den Widerstand gegen die Gleichschaltung seiner Partei, die später wie die CDU und alle anderen Ost-Organisationen nur noch Erfüllungsgehilfe der Kommunisten waren. Er war – obwohl blutjung, Anfang Zwanzig – eine sehr charismatische Figur. Das brachte die Machthaber so in Rage, daß sie ihn und alle seine Freunde und Weggefährten verhaften ließen.
Vor genau 60 Jahren, am 18. Oktober 1949, wurde die Gruppe Esch durch die Sowjets hochgenommen. In Schauprozessen wurden Esch und ein Dutzend seiner Freunde von einem Militärtribunal verurteilt, meist zu langjährigen Haftstrafen. Esch selbst erhielt mit mehreren anderen die Todesstrafe. Sie wurde 1951 vollstreckt.
Gestern nun wurde von der Universität Rostock an die Verhaftungswelle erinnert, der später – nach Esch und seinen Freunden – noch sehr viel mehr Leute zum Opfer fielen. In der Rostocker Universitätskirche gab es eine Feierstunde, der nicht nur Prorektor Professor Stefan Göbel („Esch besaß den Mut, an der Uni gegen die SED-Herrschaft zu argumentieren“) beiwohnte, sondern auch die letzten Überlebenden und Angehörigen des Vers (Verein ehemaliger Rostocker Studenten).
Lieblingsfeindbild des Zeitgeistes
Der Vorsitzende des Vers Peter Moeller fragte: „War der Tod von ihnen sinnlos? Ist der Widerstand nicht gescheitert?“ Wenn wir ja sagten, dann müßten wir dies auch von den Geschwistern Scholl, von den Attentätern des 20. Juli und von den Ungarn sagen, die 1956 den Aufstand gegen die kommunistische Herrschaft in Budapest geprobt haben, so Moeller weiter.
Die Feierstunde in der eiskalten Kirche gab leider nicht nur Grund zur Freude. Es waren auch zwei Landespolitiker anwesend, deren politisch korrekte Haltung einen sprachlos machen kann. Karina Jens (CDU), die aus Westdeutschland stammende Präsidentin des Rostocker Stadtparlaments, das sich seit Jahren weigert, die nach dem kommunistischen Hetzer Ilja Ehrenburg benannte Straße umzubenennen, deutete Eschs Handeln so um: Heute müsse die Toleranz enden, wo Ausländerfeindlichkeit zutage trete. Das sei die Lehre, die aus Eschs Tod zu ziehen sei. Und auch der frühere SPD-Landtagspräsident Hinrich Kuessner bemühte das moderne Lieblingsfeindbild des Zeitgeistes in Form des Neonazis, den es nun zu bekämpfen gelte, so wie Arno Esch gegen die damaligen Machthaber gekämpft hat. Was zum Teufel hat Arno Esch mit Neonazis zu tun? Oder mit angeblicher Ausländerfeindlichkeit?
Das ist natürlich eine besondere Ironie: Demokratische Politiker gedenken eines von den Kommunisten unter dem Vorwurf der Spionage hingerichteten Liberalen und machen sich dabei das Denken und Reden der Kommunisten zueigen. Sie fallen noch immer auf die neostalinistische Strategie des „Kampfes gegen Rechts“ herein. So gesehen ist Esch vielleicht doch umsonst gestorben.