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Nietzsche II

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Christoph Türcke hat in seinem Nietzsche-Kommentar darauf hingewiesen, daß der Wunsch, „nicht mehr Rechnungsposten, nicht mehr Manövriermasse eines abstrakten Wirtschaftsgesetzes zu sein, die Sehnsucht nach einer Rücksichtslosigkeit und Unberechenbarkeit großen Stils erzeugt, wo der Mensch, durch nichts mehr identifiziert und klassifiziert, ganz er selbst wäre.“

Türcke hält diese Sehnsucht für faschistoid und den Faschismus für Hohn auf die Hoffnung der Verzweifelten. Allerdings: Soviel „Rechnungsposten“ und „Manövriermasse“ wie gegenwärtig war nie; und wenngleich es noch nicht ins Bewußtsein dringt, so mag es sich mit dem Hunger nach Sinn ähnlich verhalten. „Wer um sein Warum weiß, erträgt jedes Wie“, meinte Nietzsche. Es ist schwierig damit in ideologiefreier Zeit. Abwrackprämien entfalten nur kurzfristige Anziehungskräfte.

Wo erschließen sich die Menschen als geborene Metaphysiker (Hegel) jenseits von Ökonomismus und Konsumismus Quellen ihres Lebenssinns, wenn Gott als tot gilt, nationale Bezüge als verpönt angesehen werden und Ideologie zum Unwort avancierte?

Individualistischer Narzißmus

Der von Nietzsche prophezeite Übermensch, dem das „ungeheure Gebälk und Bretterwerk der Begriffe nur ein Geäst und ein Spielzeug für seine verwegenen Kunststücke ist“ und der „die Herrschaft der Kunst über das Leben“ verwirklicht sehen will, war tatsächlich ein fragwürdiger Typus des 20. Jahrhunderts. Ist der Faschist nun dessen Karikatur und Zerrbild, wie Türcke es meint, oder ist er nicht – mindestens im italienischen Ansatz – ein futuristischer Dionysos mit tragischer Konsequenz?

Ein trivialer Abklatsch nietzscheanischer Bezüge findet sich zumindest: Werbefuzzis gelten als die „Kreativen“, wenn sie die Ästhetisierung der Welt als schönen Schein betreiben. Das korrespondiert mit dem Kult um ein anderes Nietzsche-Wort, dem von der „großen Gesundheit“. In der Verlorenheit an „beauty & body“ pflegt sich ein individualistischer Narzißmus, der den eigenen Körper als letztes relevantes Ereignis feiert und Krankheit wie Tod ängstlich verdrängt.

Vor den Okularen der Werbung ist noch jedes Riefenstahl-Klischee erlaubt. Jede Duschbadreklame erscheint als Hommage an Arno Breker. Und natürlich lebt die Wirtschaft vom „Willen zur Macht“, mitten in der Demokratie. Nur der Faschist soll als eine pathologische Variante Mensch gelten, gegen den man sich mit einschlägiger politischer Bildung zu immunisieren hat, damit nicht neue Epidemien charismatischer Herrschaft hereinbrechen.

Ideele Krisen

Wenn es die metaphysische Sehnsucht tatsächlich noch gibt, so lebt sie sich im Fantasy-Genre aus und schwimmt überhaupt in der Flut der Bilder mit.

Insofern die Krise nicht nur das ökonomisch-finanzielle System in Frage stellt, sondern überhaupt Sinnfragen berührt, dürfte für Bewegung gesorgt sein. Die großen Reformbewegungen wie die charismatische Politik im Sinne Max Webers nahmen ihren Ausgangspunkt von ideellen Krisen. Ohne Gefahren ist Bewegung nicht zu haben. Jenseits der Analysen von Saldi und Dax-Verläufen werden existentielle Fragen gestellt, die von ein bißchen Krisenmanagement nicht beantwortet werden können.

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