Man zögert, über Iwan Demjanjuk zu schreiben. Das Thema ist in alle Richtungen gleichmäßig peinlich, sowohl für den angeklagten Ukrainer als auch für die bundesdeutsche Justiz, für das Bundeskriminalamt wie für die allseits geifernde Presse, die sich in zahlreichen Varianten darüber ergeht, warum der Mann unbedingt verurteilt werden muß.
Es dürfte auch der israelischen Justiz peinlich sein, die Demjanjuk zunächst wegen Völkermordverbrechen in Treblinka zum Tode verurteilt und dann aus Einsicht in die mangelnde Beweislage letztinstanzlich doch wieder freigelassen hat. Andererseits hat die Sache Stoff für einen Kriminalfilm und wurde ja auch bereits mehrfach filmisch verarbeitet.
In dieser Woche wurde der gebürtige Ukrainer jetzt von den USA an Deutschland ausgeliefert. Was es Neues an Beweisen gibt, ist nicht sicher, so war bisher zu hören. Im Mittelpunkt der Anklage steht ein Dienstausweis Demjanjuks, der ihn mit einigen Monaten Dienst im Vernichtungslager Sobibór in Verbindung bringt. Was er dort getan hat, wenn er denn dort gewesen ist, dafür gibt es offenbar keine lebenden Zeugen mehr und sehr wenige überlieferte Aussagen.
Israelis baten um ein Gutachten
Ein inzwischen Verstorbener will etwas gesehen haben, schilderte ihn als brutal und gab das vor Jahren zu Protokoll. Ein anderer kann sich an einen Demjanjuk dort nicht erinnern und gab das seinerseits den Behörden schriftlich. Zu allem Überfluß hat das Bundeskriminalamt in Zusammenarbeit mit israelischen Behörden einen Dienstausweis Demjanjuks vor langer Zeit für gefälscht erklärt, was damals der Anlaß für die Aufhebung des Todesurteils in Israel und die Entlassung aus der dortigen Haft war.
Vor mehr als 15 Jahren erschienen in der Abteilung Kriminaltechnisches Institut des Bundeskriminalamtes zwei israelische Wissenschaftler, zeigten Dr. Wolfgang Steinke, damals Abteilungs-Präsident im Bundeskriminalamt, einen angeblichen Dienstausweis Demjanjuks und baten um ein Gutachten, das die Echtheit des Dokuments belegen sollte.
Wissenschaftler des Bundeskriminalamtes reisten eine Woche mit den israelischen Kollegen durch Deutschland und entdeckten eine Reihe von Ungereimtheiten, die darauf schließen ließen, daß der Ausweis eine Fälschung war. Steinke hat daraufhin erklärt, daß das BKA kein Echtheitsgutachten erstellen könnte. Um zu verhindern, daß Demjanjuk aufgrund eines Falschgutachtens verurteilt wird, hat er seine Erkenntnisse in einem Vermerk niedergelegt, der über das Auswärtige Amt der israelischen Seite offiziell zugänglich gemacht werden sollte und wohl auch wurde.
Wer fälscht eigentlich Dienstausweise?
So wurde damals eine Verurteilung Demjanjuks mittels eines falschen „zentralen Beweisstücks“ verhindert. Wer auch immer jetzt mit dem Fall befaßt werden sollte, könnte und müßte sich an den damaligen Untersuchungen des Bundeskriminalamtes orientieren. Bisher sieht es nicht danach aus. Ob der jetzt als Beweis vorgelegte Dienstausweis mit dem alten identisch ist, geht aus den Meldungen aber nicht eindeutig hervor.
Man darf deshalb gespannt sein, ob die Eiferer in Justiz und Presse einer weiteren Steigerung der Peinlichkeiten begegnen können und wie das eines Tages in einem Krimi umgesetzt werden wird. Dort kann man dann auch einmal ausgiebig darüber spekulieren, wer eigentlich Dienstausweise fälscht.