Was krakeelen sie doch nicht alle wegen Bürgerrechten und Datenschutz! Und dann fordert die Hackervereinigung „Chaos Computer Club“ die Kennzeichnungspflicht für Polizisten auf Demonstrationen. Die Schriftart von Auto-Nummernschildern eigne sich sehr gut dafür. Witzigerweise begründet der Club das mit der „Achtung vor dem Staat“, denn diesem würde ein Bärendienst erwiesen, wenn man die Strafverfolgung gegen Polizeibeamte verhindere.
Das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: „Achtung vor dem Staat“ in Kombination mit Nummernschildern für Polizeibeamte. Mit einer derartigen Versachlichung hätten wir die nächste Stufe der Demontierung unserer Polizei erreicht. Zuerst dünnen wir die Personaldecke aus, dann verringern wir durch übertriebene Deeskalation die Distanz zum Schutzmann. Und zu guter Letzt geben wir ihnen Nummern, damit jeder ihren rudimentären Reststellenwert auf Anhieb erkennt.
Freilich mag es vorkommen, daß ein Schupo dem mündigen Bürger mal eine schmiert. Das kann verschiedene Gründe haben: Die Abwehr von körperlichen Angriffen, die Vorbereitung einer Festnahme, die Durchsetzung eines Platzverweises und so weiter und so fort. Liest sich vielleicht komisch, ist aber so. Der ein oder andere freche Demonstrant sollte sich von dem Gedanken verabschieden, daß eine Einsatzhundertschaft jede Lage verbal oder mit einem schmerzfreien Jiu-Jitsu-Griff lösen kann.
Legitimation eines Eingriffes
Diesbezüglich kursieren seit einer Demonstration am 12. September dieses Jahres (es ging um Datenschutz!) verschiedene Videos im Internet. Auf einem ist tatsächlich zu sehen, wie ein Polizist einem Demonstranten einen saftigen Faustschlag in dessen Antlitz verabreicht. So wie sich die Situation in dem Video darstellt, war dieser Schlag wohl unnötig. Nun ist es aber schwer vorstellbar, daß der Geschlagene im Vorfeld ein besonnenes und höfliches Verhalten an den Tag gelegt hatte.
Es ist in Deutschland nämlich so, daß die Polizeischüler in den Ausbildungsinstituten massiv zur Deeskalation erzogen werden. Psychologische Einstellungstests, Verhaltenstraining, Rollenspieler, das ganze Programm. Diese – begrüßenswerte – Zurückhaltung fordert allerdings den einen oder anderen vermeintlich mündigen Bürger dazu heraus, Grenzen auszutesten. In ihrem Wahn, der Staat wolle ihnen stets etwas Böses, projizieren sie ihre oftmals künstlich affektierte Wut auf den Beamten vor Ort. Und der kann ja nun wirklich nichts für die Politik.
In dieser Hinsicht: Vielleicht ist die Polizei ja doch nicht immer an den Eskalationen schuld. Vielleicht ist es ja doch des öfteren der Demonstrant, der sich gegenüber den Beamten Dinge herausnimmt, die er sich im Alltag niemals trauen würde. Die Mündigkeit eines Bürgers zeigt sich nicht nur an seinem Protest gegen Grundrechtseingriffe. Ein Indiz für diese Mündigkeit kann durchaus auch sein, die Legitimation eines Eingriffes zu erkennen.