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Der schwindende Einfluß des Westens

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Der schwindende Einfluß des Westens

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Geht es nach dem bekannten „Neocon“ und Politikberater Robert Kagan, unter anderem Mitbegründer der Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC), dann wird der Indische Ozean im Mittelpunkt der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stehen.

Diese These vertritt Kagan jedenfalls im Hauptbeitrag der März/April-Ausgabe der US-Zeitschrift Foreign Affairs. Diese Zeitschrift verdient unter anderem deshalb Aufmerksamkeit, weil sie vom einflußreichen Council on Foreign Relations (CFR) herausgegeben wird und damit Rückschlüsse auf die außenpolitische Meinungsbildung in US-Regierungskreisen zuläßt.

Dies gilt ungeachtet der Konkurrenz, die Foreign Affairs in den vergangenen Jahren durch Newsweek International bekommen hat, deren Leitender Redakteur, der inzwischen auch in Europa hinlänglich bekannte US-Politikwissenschaftler Fareed Zakaria, bis zur Jahrtausendwende in eben dieser Position für Foreign Affairs tätig war.

Der Indische Ozean als Idee

Doch zurück zu Robert Kagan und seinem Beitrag: Kagan deutet den Indischen Ozean nicht nur als geographischen Raum, sondern vor allem als „Idee“, die das Zentrum des Islam mit der globalen Energiepolitik und den Aufstieg Indiens und Chinas vor dem Hintergrund einer multipolaren Welt verbinde.

Aus seiner Sicht ist zwar das dramatische ökonomische Wachstum Chinas und Indiens hinreichend diskutiert worden, nicht aber die militärischen Auswirkungen dieses Wachstums. Ihre Großmachtambitionen zwängen China und Indien, ihren Blick vom Land auf das Meer zu lenken. Im gleichen Maße, in dem beide Staaten dies täten, nehme die Karte des Indischen Ozeans die Konturen der Machtpolitik des 21. Jahrhunderts an.

Den USA in Gestalt der US Navy weist Kagan in diesem Spannungsfeld einmal die Rolle des „Peacekeepers“ und zum anderen die des Hüters globaler Interessen zu; konkret meint er damit die Bekämpfung von Terroristen, Piraten und Schmugglern, die Leistung humanitärer Hilfe und das „Management“ des Wettbewerbs zwischen Indien und China.

Indien und China versuchen, ihren Einfluß auszudehnen

Die Zahlen, die Kagan präsentiert, untermauern seine These von der wachsenden Bedeutung des Indischen Ozeans: ca. die Hälfte des weltweiten Container-Schiffverkehrs wird über den Indischen Ozean abgewickelt und etwa 70 Prozent des Verkehrs mit Erdöl oder dessen Produkten. Mehr als 85 Prozent des Öls und der Ölprodukte, die zum Beispiel China benötigt, kreuzen den Indischen Ozean und passieren die Straße von Malakka.

Angesichts dieser Zahlen und des auch zukünftig steigenden Energiebedarfs wird nachvollziehbar, warum China und Indien derzeit mit aller Kraft versuchen, ihren Einfluß zu Lande und zu Wasser auszudehnen, um die eigenen Interessen abzusichern. Chinas vielfältige Aktivitäten, wie zum Beispiel die „Strategie der Perlenkette“, sprich der Aufbau einer Reihe von Anlaufhäfen in befreundeten Anrainerstaaten des Indischen Ozeans, haben Indien auf den Plan gerufen, das eine Einkreisung durch China fürchtet. Umkämpft sind auch die Endpunkte möglicher Erdgas-Pipelines aus Zentralasien, die entweder in Pakistan, dessen Hafen Gwadar sich die Chinesen bereits gesichert haben, oder in Indien liegen können.

Kagan spricht sich vorsichtig dafür aus, dem chinesischen Expansionsdrang Grenzen zu setzen; allerdings sollte jede Möglichkeit genutzt werden, die Chinesen in internationale Allianzen einzubinden.

Der Einfluß des Westens schwindet

Zum ersten Mal seit dem Auftreten der Portugiesen, so konstatiert Kagan, sei in dieser Region der Einfluß des Westens im Schwinden begriffen. An seine Stelle trete die Großmachtrivalität zwischen Indien und China, die aber durch deren gemeinsame ökonomische Interessen und Handelspartner gemildert werde. Den USA bleibe vorerst nur die Rolle einer stabilisierenden Macht; „Unterverzichtbarkeit“, nicht Dominanz, müsse das Ziel heißen.

Auf die Frage allerdings, was passiert, wenn China und Indien die „raumfremde“ Präsenz der US Navy keineswegs für „unverzichtbar“ halten oder diese gar als Bedrohung empfinden, bleibt Kagan eine klare Antwort schuldig (weil er sich eine derartige Konstellation nicht vorstellen kann?).

Bemerkenswert bleiben die moderaten Töne Kagans, immerhin ein exponierter Vertreter der „Neocons“, von denen man bisher gewohnt war, daß sie vor allem in Begriffen wie Dominanz, Hegemonie und militärische Interessendurchsetzung denken. Sollten sich diese Töne der Einsicht verdanken, daß die „einzige Supermacht“ ihre Möglichkeiten überdehnt haben könnte und das Ende der US-Dominanz absehbar ist?

Möglicherweise spiegelt die Entwicklung im Indischen Ozean aber mehr, nämlich einen „globalen Prozeß der Entwestlichung“ (Rudolf Maresch), der derzeit vor allem am (wirtschaftlichen) Niedergang der USA augenfällig wird. Ob damit mittel- oder langfristig auch das Leitmodell der „liberalen Demokratie“ beziehungsweise „westliche Werte“ in toto zur Disposition stehen, wird für die weitere Entwicklung in diesem Jahrhundert von wesentlicher Bedeutung sein.

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