In meiner Garage steht ein einundzwanzig Jahre alter Mercedes-E-Klasse-Kombi. Das ist nichts Besonderes in der Benz-Stadt Stuttgart: „Der Daimler“ baute damals eben noch die besten Autos der Welt. Wer sie gut behandelte, hatte auch nach zwei Jahrzehnten und dreihunderttausend Kilometern noch ein zuverlässiges und komfortables Fahrzeug mit klaren Linien, solider Mechanik und ohne störanfälligen elektronischem Schnickschnack.
Auf Deutschlands Straßen trifft man nach wie vor zahlreiche Exemplare dieses Erfolgsmodells der Achtziger. Ein Narr, wer so ein Auto gegen eine blenderische „Abwrackprämie“ eintauscht.
Ein griechischer Taxifahrer schaffte mit einer Limousine dieser Modellreihe vier Millionen Kilometer. Sein Wagen steht heute im Daimler-Museum. Bis Mitte der Achtziger konzentrierte Daimler-Benz seine geistigen und finanziellen Ressourcen auf das, was man an der Wiege des Automobils am besten konnte: Gute Autos bauen und in alle Welt verkaufen.
Zwei große Nieten in Nadelstreifen
Dann kam Edzard Reuter und wollte den grundsoliden Autobauer einen glitzernden „integrierten Technologiekonzern“ aufblähen; Nachfolger Jürgen Schrempp machte es gar nicht unter einer „Welt AG“. Zwei der ganz großen Nieten in Nadelstreifen, die jeder für seine fixe Idee Abermilliarden vernichtet und trotzdem persönlich ausgesorgt haben.
Ein gewöhnliches Unternehmen wäre an den Folgen solch geballten Größenwahns in der Führungsetage zugrunde gegangen. Daimler hat überlebt, aber er ist nur noch ein Premium-Hersteller von vielen. Andere bauen inzwischen ebenso gute oder noch bessere Autos, weniger pannenanfällige noch dazu.
Man hat sich gewaltig verhoben, ist gerade noch davongekommen, aber der in Generationen erworbene Nimbus ist dahin. Wenn wieder mal ein arabischer Scheich zum Schlußverkaufspreis einsteigt, feiert man das in Untertürkheim als großen Erfolg.
„Manager des Jahres“
Am nördlichen Ende Stuttgarts, in Zuffenhausen, wartet auch gerade einer auf den rettenden Scheich. Wendelin Wiedeking, „Manager des Jahres“ und so weiter, wird bezahlt wie ein Hedgefonds-Manager, hat gepokert wie ein Hedgefonds-Manager, und er hat sich verzockt wie so mancher Hedgefonds-Manager.
Noch vor kurzem war Wiedeking allseits gefragter Interview-Partner, weil er so trefflich über gutverdienende Unternehmen herzog, die sich nicht schämten, der öffentlichen Hand mit dreister Anspruchshaltung Subventionen abzupressen. Inzwischen munkelt man, daß er selbst schon bei der KfW in Sachen Staats-Stütze angeklopft hat.
Eine Sportwagenschmiede, die dank ihrer Finanzabteilung in einem Rekord-Geschäftsjahr mehr Gewinn als Umsatz einfährt, ist kein Autobauer, sondern eine Zockerbude. Das ehrfürchtig zitierte Etikett „Investmentbank mit angeschlossener Autoproduktion“ ist kein Ehrentitel, sondern ein Alarmzeichen, daß etwas gewaltig schiefläuft.
Die Lorbeeren waren verfrüht
Die Lorbeeren, mit denen Wiedeking und seine Finanzjongleure für den durch waghalsige Börsenoperationen angepeilten VW-Übernahmeversuch überhäuft wurden, waren verfrüht.
Krisenzeiten sind ein guter Anlaß, sich einst Selbstverständliches wieder ins Gedächtnis zur rufen. Zum Beispiel dieses. Wohlstand und Wertschöpfung entsteht auf der Grundlage von Produktion und Handel und nicht durch Spekulation, Luftgeschäfte und Börsenspiele.
Übrigens auch nicht durch staatlich prämierte Vernichtung bereits geschaffener Werte, um das Konsumkarussell noch schneller drehen zu lassen. Nicht nur unsere Autobauer, auch das politische Personal täte gut daran, sich die „goldenen Regeln für Kaufleute und Fabrikanten“ gerahmt über den Schreibtisch zu hängen.