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Marc Jongen, ESN Fraktion

Als der Ruf verhallte

Als der Ruf verhallte

Als der Ruf verhallte

 

Als der Ruf verhallte

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Cato, Palmer, Exklusiv

Im April 1947 verboten die amerikanischen Militärbehörden das weitere Erscheinen einer der damals erfolgreichsten deutschen Zeitungen, Der Ruf. Die Ausgabe mit der Nummer siebzehn durfte nicht mehr von der bisherigen Redaktion verantwortet werden, sie verlor die Lizenz.

Als Grund wurde für den Stop der Blattes wurde dessen „Nihilismus“ angegeben, was mehr als nur andeutungsweise ein starker Vorwurf war, genoß doch die Bezeichnung des Nationalsozialismus als „Revolution des Nihilismus“ zu dieser Zeit beachtliche Popularität. Die Militärbehörden dürften sich die Entscheidung nicht leicht gemacht haben, denn in den Ruf hatten sie viel investiert.

Er galt als eine der wichtigsten Institutionen innerhalb des Reeducation Programms, publiziert in enger Zusammenarbeit des amerikanischen Kriegsministeriums, des Außenministeriums und des Office of War Information. Dies galt für die Zeit, als der Ruf jenseits des Teichs in amerikanischen Kriegsgefangenenlagern gelesen wurde. Doch die Ruf-Redaktion tat unerhörtes, als ihr Blatt in Deutschland erscheinen durfte.

Kein Bekenntnis zur Kollektivschuld

Der Ruf bekannte sich nicht zur Kollektivschuld, er stand den Maßnahmen der Militärregierung kritisch gegenüber und verlangte Rückkehrrecht für die Vertriebenen – was im letzten Heft durch den früheren Chefredakteur des sozialdemokratischen Vorwärts geschah und offenbar das endgültige Aus bedeutete.

Auch stellte er sich hinter die deutschen Soldaten, die ihre Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, das Land in einem Krieg zu verteidigen, den nicht sie begonnen hatten und der nach Willen der Alliierten zu keinem Zeitpunkt mit einem Kompromiß hätte zuende gehen können. Herausgeber Hans Werner Richter formulierte in diesem Zusammenhang im Ruf einen Tonfall, der zusammen mit dem Blatt im Jahr 1947 eigentlich schon aus dem bundesrepublikanischen Diskurs verschwinden sollte:

„Ich fühle mich als Deutscher, ich bin Deutscher, ich kann nicht aus meiner Haut heraus. Aber ich bin nicht verantwortlich für Hitlers Verbrechen und für den Chauvinismus vergangener Zeiten. Und die jungen, heimkehrenden Soldaten sind es ebensowenig, ganz gleich, ob sie an den Nationalsozialismus geglaubt haben oder nicht. Ich bin auch nicht bereit, die imperialistischen Ansprüche der Siegermächte kritiklos hinzunehmen.“

Forderung nach Schuld und Sühne

Auf Druck des Verlags wurden in den letzten Heften erhebliche Änderungen vorgenommen. So erschien statt dem ursprünglich geplanten ein neuer Leitartikel, der ganz im Umerziehungssinn „Bekenntnisse eines jungen Deutschen“ ablegte: „Ich bekenne mich zur Sühne, die ich mit meinem Volk für unser aller Schuld tragen will.“

Hiermit wurde nicht nur Schuld von einem bekannt, der persönlich keine Verantwortung hatte, sondern über die Forderung nach Schuld und Sühne auch gleich das ganze Volk mit hineingezogen. Das drehte die bisherige Linie des Blatts erheblich, aber noch nicht genug zum Überleben der Redaktion in der bisherigen Zusammensetzung. So läßt sich hier noch heute beobachten, wie in der frühen Nachkriegszeit die Regeln der Debatte festgelegt wurden, wie sie mehr oder weniger bis heute gelten.

Aus dem Umfeld des Ruf entstand später die einflußreiche „Gruppe 47“, lange Zeit das faktische Literaturzentrum der Bundesrepublik. Die Redakteure gingen zur Belletristik über, und es stießen Waffen-SS-Männer wie Günter Grass dazu, wie ihr eigenes Soldatentum jahrzehntelang erfolgreich verschwiegen und andere dafür anklagten, Dienst getan zu haben. Der Ruf verhallte, aber es gibt Anzeichen, daß er doch noch ein Echo finden wird.

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