Wie war unsere Reaktion darauf, als wir das erstemal davon hörten, eine „Alternative für Deutschland“ (AfD) träte als neue Partei ans Licht der Öffentlichkeit? Zurückhaltende Skepsis war das mindeste. „Schon wieder eine neue Partei?“ In Serie waren in den vorangegangenen Jahrzehnten Dutzende Versuche fehlgeschlagen, den offenkundig unbesetzten und unter Angela Merkel als CDU-Chefin größer werdenden Raum einer liberal-konservativen Kraft neben der Union zu besetzen.
Aberwitzig schien es, ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl überwiegend mit Politneulingen eine Partei aus dem Boden zu stampfen und gleich kandidieren zu wollen. Noch 2010 war nach der monatelangen Debatte um den prophetischen Bestseller Thilos Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ lebhaft über die Chancen einer „Sarrazin-Partei“ spekuliert worden. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid ermittelte damals ein Potential von 18 Prozent für eine solche Gruppierung. Sarrazin wollte den Schritt jedoch nicht wagen, zweifellos ist er aber mit seinem Buch ein wichtiger Eisbrecher gewesen und hat ein Protestmilieu mobilisiert.
Euro-Rettungspolitik war entscheidende Antriebsenergie
Die Euro-Rettungspolitik ab 2010 mit dem Weg in eine Schuldenunion brachte die entscheidende Antriebsenergie für einen politischen Bruch in der Mitte der Gesellschaft – nicht umsonst standen viele eurokritische Ökonomen an der Wiege der AfD und sorgten entscheidend Wirtschaftsblätter für die nötige Anfangsberichterstattung.
Vor fünf Jahren trat die AfD kurz nach ihrer Gründung mit einer überraschenden Großveranstaltung im hessischen Oberursel an die Öffentlichkeit und ein Senkrechtstart ohnegleichen begann. Mit Hilfe Zehntausender idealistischer Bürger, Nutzung neuer Medien und phantasievoller PR brach die AfD in Wählerschichten ein, die klassischen Rechtsparteien immer verschlossen gewesen waren.
Nächster Schritt: Regierungsfähigkeit
Es kam – wie immer in der Geschichte neuer Parteien – zu Flügelkämpfen und Absplitterungen. Die 2015 eskalierende Flüchtlingskrise mit bis heute nicht kontrollierter Massenmigration katapultierte die AfD aus einem Umfragetief, in das sie durch einen Richtungsstreit geraten war. Daß die Partei heute nach dem Einzug in den Bundestag Oppositionsführer ist und im Bund bei Umfragen gleichauf mit der SPD ernsthaft um den Anspruch als Volkspartei kämpft, zeigt, wie tiefgreifend das Parteiensystem umgewälzt wurde.
Europaweit befinden sich Parteien und Bewegungen im Aufwind, die sich gegen EU-Zentralismus und unkontrollierte Migration wenden – das bestätigen die jüngsten Wahlen in Italien. Der AfD ist dies in Deutschland erfolgreich gelungen. Der nächste Schritt nach der Etablierung in den Parlamenten wird die Vorbereitung darauf sein, in Zukunft auch Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
JF 11/18