Die Fassungslosigkeit nimmt zu angesichts des noch immer unkontrollierten Massenzuzugs illegaler Einwanderer nach Deutschland. Eine besondere Angst erfaßt jetzt unter den Deutschen eine konkrete Gruppe: die deutschen Juden. Unter ihren Vertretern setzt sich immer deutlicher die Erkenntnis durch, daß das Abenteuer der multikulturellen Gesellschaft im Lichte der realen Entwicklung für sie als erste zum Alptraum zu werden droht.
Lange artikulierten Vertreter jüdischer Verbände aufgrund der deutschen Geschichte Reserve gegenüber nationalen Positionen, ließen sich bereitwillig von der Linken vor undifferenzierte „Kampf gegen Rechts“-Initiativen spannen oder initiierten diese sogar. Vor zwanzig Jahren traf ich in Frankfurt deshalb den damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, zu einem Gespräch. Er hatte zeitweise den schweren Vorwurf gegen die JF erhoben, sie sei ein Beispiel für „geistige Brandstifter“. Nach unserem Treffen erhob er den Vorwurf nie wieder.
Mit Bubis kam ich damals auch auf das Problem der „multikulturellen Gesellschaft“ zu sprechen. Ich vertrat die These, daß es doch eine geschichtlich große Leistung sei, in Deutschland die konfessionelle Spaltung in einem Verfassungsstaat austariert zu haben und über den Nationalstaat einen stabilen gemeinsamen Nenner gefunden zu haben. Sei nicht auch der Nationalstaat in Deutschland der beste Schutz für Juden, weil nur die Nation zu einem besonderen historischen Verhältnis verpflichte?
Was hält unser Land zusammen?
In einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer appellierte kürzlich Charlotte Knobloch, Ex-Präsidentin des Zentralrates und jetzige Vorsitzende der Münchner Kultusgemeinde, die Veränderung Deutschlands zu stoppen: „Ich bin der festen Überzeugung: Unser Land darf sich nicht verändern.“ Dazu müsse die Frage „Wer sind wir?“ selbstbewußt beantwortet werden, das „Verhältnis zur eigenen Identität“ geklärt werden, „Patriotismus und der Erhalt unserer Kultur“ auf die Agenda gesetzt werden.
Es ist bezeichnend, daß Knoblochs Brief wenig Beachtung fand. Es scheint so, als gäben womöglich nichtjüdische Deutsche bedenkenloser ihre Herkunft und Identität wie eine abgelegte Jacke an der Garderobe ab, als Juden, deren Schicksal es ist, besonders auf Tradition und Abstammung zurückgeworfen zu sein. Als der amtierende Zentralratsvorsitzende Josef Schuster kürzlich nüchtern mahnte, um Obergrenzen komme man bei der Zuwanderung nicht herum, schlug ihm ein linker Wutsturm entgegen.
Was hält unser Land zusammen? Wir sehen, daß die Verneinung unserer Identität und Geschichte in Verantwortungslosigkeit mündet. Die deutschen Juden spüren dies und sehen mit Erschrecken, was diese Selbstaufgabe für Folgen hat.
JF 51/15