Mit Aplomb ist die „Alternative für Deutschland“ (AfD) gestartet, und die Aufwärtsbewegung scheint derzeit ungebrochen: Über 10.000 Mitglieder meldet die Partei, täglich sollen Hunderte hinzukommen, Umfragen sehen die AfD schon bei fünf Prozent.
Bei Facebook hat die Partei mit über 28.000 „Followern“ sogar die CDU hinter sich gelassen. Plötzlich ist ein Gegner im Feld, den die Wahlstrategen der etablierten Parteien vor zwei Monaten noch nicht auf der Rechnung hatten. Die gesamte politische Architektur zwischen den Lagern Rot-Grün und Schwarz-Gelb erschüttern tektonische Verschiebungen, deren tiefgreifende Verwerfungen noch nicht absehbar sind.
Lucke für AfD eine Glücksgriff
In den letzten Tagen gerieten drei Strategiepapiere der Parteizentralen von CDU, SPD und FDP an die Öffentlichkeit, die nach geeigneten Antworten auf den neuen Mitbewerber suchen. Übereinstimmend wird deutlich, daß man sich im Gegensatz zu früheren Parteigründungen schwertun wird, den lästigen Konkurrenten mit der „Faschismuskeule“ zu erschlagen. So merkt das FDP-Papier fast bedauernd an, daß die bisherigen Erklärungen der AfD „zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriöse Bewertung der Vorwürfe“ zuließen, die AfD sei „rechtspopulistisch“.
Für die Partei stellt sich ihr bis dahin wenig bekannter Vorsitzender, Bernd Lucke, als Glücksgriff dar: Dem eloquenten Volkswirt und Währungsexperten und seinen engsten Mitstreitern muß man die in atemberaubender Geschwindigkeit durchgezogene Organisation von 16 Landesverbandsgründungen binnen weniger Wochen und die straffe Disziplinierung einer sonst starken Zentrifugalkräften ausgesetzten explodierenden Mitgliederschaft zurechnen.
Dennoch bereitet inzwischen Sorge, ob die starke Verengung der Partei auf das Thema Euro-Krise und die damit bewußt in Kauf genommene programmatische Unschärfe in Beliebigkeit umschlagen könnte. Irritationen löste so der Auftritt Luckes in der Fernsehsendung „Absolute Mehrheit“ von Stefan Raab aus, wo dieser im Zusammenhang mit der Hoeneß-Affäre überraschend für EU-einheitliche Steuersätze eintrat.
„Alternativlosigkeit“ betrifft nicht nur die Euro-Frage
Die AfD will sich derzeit aus plausiblen Gründen nicht auf den Nenner einer „konservativen Partei“ verengen lassen, da die Euro-Krise ein alle politischen Milieus berührendes nationales Thema ist. Dennoch verwundert es, wie brüsk Lucke in Fernsehsendungen den Begriff des „Konservativen“ zurückwies, als sei es anstößig, mit diesem überhaupt in Berührung zu kommen.
Man muß der Partei eine Orientierungsphase zubilligen. Offen ist dabei, welche Strömungen sich bei der AfD langfristig durchsetzen werden. Daß Deutschland nicht nur in der Euro-Frage, sondern auch in anderen politischen Fragen unter Merkels „Alternativlosigkeit“ leidet, sollte die AfD beachten.
JF 19/13