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Streiflicht: Ich war dann auch mal weg

Streiflicht: Ich war dann auch mal weg

Streiflicht: Ich war dann auch mal weg

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Streiflicht
 

Ich war dann auch mal weg

Ist es möglich ohne Handy, Computer, Nachrichten und Zeitungen zu leben? Der JF-Chefredakteur hat den Versuch gewagt und vier Tage in einem Kloster in Südbrandenburg verbracht. Die Chance, für eine Zeit „auszusteigen“ sollte jeder einmal nutzen. Ein Kommentar von Dieter Stein.
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Kreuzgang: Entschleunigung des Lebens Foto: Necrophorus/Wikimedia mit CC-Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

In der letzten Woche war ich für vier Tage von der Bildfläche verschwunden. Wie das? Ich war in einem Kloster südlich von Berlin. Vor drei Wochen sprach mich bei einem Abendessen ein guter Freund an, daß er schon lange damit schwanger gehe, für eine Woche in ein Schweigekloster zu ziehen. „Klasse“, meinte ich, das würde ich auch gerne einmal tun.

Der Freund lachte und meinte: „Das schaffst du doch nie, du kannst doch noch nicht einmal eine Stunde auf dein Mobiltelefon verzichten oder auf die Nachrichten im Fernsehen.“ Als ich das meiner Frau erzählte, meinte sie: „Das machst du! Du bist im Moment sowieso zu nichts zu gebrauchen.“

So kam es. Aufgrund des Tips einer Nachbarin buchte ich ein einfaches Gästezimmer in diesem von 28 Benediktinerinnen betriebenen Kloster. Warum sagt meine Frau, ich sei zu nichts zu gebrauchen? Wenn ich nach Hause komme, schalte ich nicht ab, die Arbeit dreht sich im Kopf weiter.

„Burnout“ weit verbreitet

Nach dem Abendessen wird der Rechner aufgeklappt, „noch einmal E-Mails abrufen“, mal sehen, ob es noch Neuigkeiten zur Euro-Krise auf irgendeiner Internetseite gibt, dazu am besten parallel eine der endlosen Talkshows sehen, in denen dasselbe Problem noch einmal hin und her gewälzt wird. Ich habe mein Mobiltelefon tatsächlich abgeschaltet zu Hause gelassen.

Vier Tage habe ich keine Nachrichten gesehen oder gehört, keine Zeitung gelesen, stattdessen endlich Ernst Jüngers „Waldgang“, Ulrich Schachts „Vereister Sommer“ und zwei Bücher des für mich bislang nicht entdeckten Dostojewski („Der Spieler“, „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“). Ein Tagebuch geschrieben – und immer nur einer Sache gewidmet.

Das Thema „Burnout“ ist in aller Munde, ein Modewort. Vorstufen treffen mehr Menschen, als sie zugeben. Gerhard Schöne besang in einem seiner Lieder treffend die alltägliche Hetzerei des modernen Menschen: „Wenn du schläfst, stehst du schon auf. / Wenn du aufstehst, gehst du schon. / Wenn du gehst, ißt du schon, / Wenn du ißt, dann schaffst du.“

Sechs Gottesdienste am Tag

Beeindruckend, mit welcher Heiterkeit und in sich ruhend die Schwestern dieses Klosters ihren Dienst verrichten. Sechs Gottesdienste unterbrechen den Tag, dazwischen verfolgen sie fleißig und fröhlich ihre Tätigkeiten. Wie schwer fällt es hingegen, Inseln der Ruhe und Konzentration im modernen Alltag von uns Büromenschen zu schaffen.

Manche fallen zwischen Weihnachten und Neujahr regelrecht in ein Loch, haben Angst vor der notgedrungen eintretenden Stille, wenn der Nachrichtenstrom unterbrochen, das Hamsterrad gestoppt wird. Eigentlich ist dies eine Chance, zum Nachdenken zu kommen. Es ist jedem zu empfehlen, wenn es möglich ist, für eine Zeit „auszusteigen“ – es muß nicht gleich ein Klosteraufenthalt sein. Und wenn es nur das abendliche Ausschalten des Mobiltelefons, Computers und am besten auch des Fernsehers ist.

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