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Gedankenpolizei statt Seelsorge: Für diese Kirche zählt die Gesinnung, nicht der Mensch

Gedankenpolizei statt Seelsorge: Für diese Kirche zählt die Gesinnung, nicht der Mensch

Gedankenpolizei statt Seelsorge: Für diese Kirche zählt die Gesinnung, nicht der Mensch

Ein Ministrant aus Regen in Niederbayern wird von seinem Pfarrer rausgeworfen, weil er ein Foto mit dem AfD-Politiker Maximilian Krah schießt. Die Kirche muss aus dem Fall Konsequenzen für den Pfarrer ziehen.
Ein Ministrant aus Regen in Niederbayern wird von seinem Pfarrer rausgeworfen, weil er ein Foto mit dem AfD-Politiker Maximilian Krah schießt. Die Kirche muss aus dem Fall Konsequenzen für den Pfarrer ziehen.
Kreuze (Symbolbild): Der Fall eines Ministranten aus Bayern wirft ein Schlaglicht auf den Irrweg der Kirche. Foto: picture alliance | CHROMORANGE / August Forkel
Gedankenpolizei statt Seelsorge
 

Für diese Kirche zählt die Gesinnung, nicht der Mensch

Ist ein Ministrant, der sich für die AfD interessiert, ein „falscher Christ“? Der Fall eines Jugendlichen aus Bayern führt auf bittere Weise vor Augen, wie weit sich die Kirche vom Glauben entfernt hat. Vielleicht liegt darin eine wertvolle Erkenntnis. Ein Kommentar.
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Was darf man noch sagen? Wen darf man noch treffen? Wessen Nähe allein macht verdächtig? Die gesellschaftliche Debattenkultur ist rau geworden – auch und gerade dort, wo sie besonders sanft sein sollte: in der Kirche.

Dort, wo das Ideal von Barmherzigkeit und Geduld eigentlich über allem steht, werden längst politische Grenzen gezogen. Zwischen den „Richtigen“ und den „Falschen“. Wer auf der vermeintlich falschen Seite steht, erlebt oft, wie schnell aus geistlicher Begleitung moralische Verurteilung wird.

Zu spüren bekam das nun ein 16jähriger Ministrant in Niederbayern. Ein Foto mit einem AfD-Politiker – mehr war nicht nötig, um ins Abseits zu geraten. Der Pfarrer warf ihn aus dem Dienst, beschimpfte ihn als „Nazi“ und „scheinheiligen, falschen und verlogenen Christen“. So schildern es die Eltern des Teenagers, und die Informationen der JUNGEN FREIHEIT stützen ihre Darstellung.

Der Rauswurf ist ein Skandal

Man muß sich diese Szene vor Augen führen: Ein Jugendlicher, engagiert in der Gemeinde, tief im Glauben verwurzelt, wird mit einem DIN-A4-Ausdruck eines Fotos konfrontiert – als handele es sich um ein Beweisstück in einem Strafprozeß.

Ankläger, Richter und Henker in Personalunion: der Pfarrer. Das Urteil: Ausschluß aus der christlichen Gemeinschaft. Ein kirchliches Tribunal für einen Jugendlichen, der sich nur eine eigene politische Meinung bilden möchte. Er besuchte Veranstaltungen der CSU und der Freien Wähler, wollte sich aber eben auch bei der AfD informieren.

Daß die Kirche den Ministranten deshalb rauswirft, ist ein Skandal. Mit diesem Wort sollte man zurückhaltend umgehen, doch in diesem Fall ist es angebracht. Denn so handelt keine seelsorgerlich denkende Kirche. So handelt eine Instanz, die glaubt, über politische Reinheit wachen zu müssen. Der es um Gesinnungskontrolle geht und die sich dem Zeitgeist so sehr anbiedert, daß selbst Jugendliche zur Zielscheibe werden.

Die Kirche diffamiert einen Gläubigen

Wohlgemerkt: Selbstverständlich hat die Kirche das Recht, sich politisch zu äußern. Selbstverständlich hat der Pfarrer das Recht, mit seinem Ministranten über die AfD sprechen. Selbstverständlich darf er die Partei scharf kritisieren und den Jugendlichen mit Argumenten davon überzeugen, sich von ihr fernzuhalten.

Doch was er und die Kirche nicht dürfen – und was ihr hier in beschämender Weise passiert –, ist die individuelle Gewissensfreiheit eines jungen Gläubigen derart zu diffamieren. Ein Sechzehnjähriger, der sich eine politische Meinung bildet, verdient Ermutigung, nicht Verdammung.

Er verdient das Gespräch, nicht das Tribunal. Er verdient die Frage: Warum warst du dort? Was hast du gehört? Was denkst du darüber? Und nicht den maßlosen und zutiefst verletzenden Vorwurf: Weil du zur AfD gehst, bist du ein Nazi und falscher Christ.

Das Bistum muß Stellung beziehen

Daß das Bistum Passau sich bislang nur in Allgemeinplätzen äußert, ist ernüchternd. Die beschwichtigende Formel, man hoffe auf „Versöhnung“, ist kaum mehr als ein rhetorisches Feigenblatt. Tatsächlich verlangt dieser Fall mehr als ein laues Vermittlungsangebot.

Er verlangt eine klare Positionierung des Bistums und die unmißverständliche Botschaft an alle Gläubigen: Das Verhalten dieses Pfarrers ist mit dem Anspruch der Kirche unvereinbar.

Für den Jungen könnte der Fall trotz der Erniedrigung eine wertvolle Einsicht bereithalten, zu der viele Gläubige erst nach Jahren oder niemals gelangen: daß die Kirche, die in ihren Sonntagsreden von Nächstenliebe spricht, in der Praxis oft mit Ausgrenzung und moralischem Hochmut agiert. Wenn die Wunden verheilt sind, hat er vielleicht erkannt, daß Glaube viel mehr ist als Institution – und daß der Glaube trägt, selbst wenn die Kirche ihn fallenläßt.

Kreuze (Symbolbild): Der Fall eines Ministranten aus Bayern wirft ein Schlaglicht auf den Irrweg der Kirche. Foto: picture alliance | CHROMORANGE / August Forkel
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