Wer sein Wochenende nicht unter einem Stein verbracht hat, dürfte kaum ein anderes Thema mitbekommen haben: Attentat auf Trump. Der Anblick, wie der blutbefleckte Ex-Präsident die Faust in die Luft reckt und dabei „Fight“ („Kämpft“) ruft, bevor er vom Secret Service von der Bühne begleitet wird, wird in die Geschichtsbücher eingehen. Bei all der Aufregung gerät beinahe in Vergessenheit, daß am Sonntag auch noch Fußball gespielt wurde. EM-Finale England gegen Spanien im Berliner Olympiastadion. Es gibt langweiligere Wochenenden.
Die erste Halbzeit ist geprägt von allgemeiner Nervosität. „Bloß keinen Fehler machen“, dürften sich beide Seiten gedacht haben und so passierte die ersten 45 Minuten wenig Großes. Um so furioser ging es dafür in der zweiten Spielhälfte zur Sache. Direkt der erste spanische Angriff führt zum Tor. 47. Minute, Carvajal in der eigenen Hälfte auf Yamal, der findet trotz einer Traube englischer Verteidiger um ihn herum seinen Offensivkollegen Nico Williams, der bleibt eiskalt. 1:0 für Spanien, was für ein Auftakt!
Danach drücken die Iberer zunehmend und erspielen sich immer mehr Torchancen. Doch der Fußballgott im Verbund mit Englands Torwart Pickford hilft den Three Lions, im Spiel zu bleiben. Und so kommt es, wie es kommen muß: 73. Minute, englischer Angriff. Der pfeilschnelle Bukayo Saka kommt von rechts, sucht das Tempodribbling, spielt den Ball auf Bellingham. Der Ex-Dortmunder beweist seine überragende Spielübersicht, legt ab auf den einlaufenden Cole Palmer. Der nimmt aus etwa 22 Metern Maß – Tor, Spiel wieder offen! Ob EM-Finale oder tiefste Kreisliga – wer die Dinger vorne nicht macht, wird hinten bestraft. „La Furia Roja“ ist da keine Ausnahme.
Spanien jetzt alleiniger Rekordhalter
Doch danach zeigen die Iberer erneut, daß aktuell kein Kraut gegen sie gewachsen ist. Direkt nach dem Ausgleich erhöhen die Spanier wieder das Tempo, erarbeiten sich wieder handfeste Torchancen. In der 86. Spielminute ist es so weit. Hobby-Handballer Cucurella spielt den Ball – diesmal mit dem Fuß – maßgenau ins Zentrum des Strafraums, Mikel Oyarzabal rutscht rein, erneute Führung für Spanien.
Kurz vor Abpfiff kommt es noch einmal zu einem englischen Aufbäumen. 89. Minute, Ecke für England, doch Dani Olmo köpft den Ball raus. Kurz danach ist Schluß, Spanien ist Europameister und nicht nur irgendeiner, sondern Rekord-Europameister. Kein anderes Land konnte sich bisher viermal die europäische Krone aufsetzen. Für England hingegen ist es nach der EM 2021 das zweite hintereinander verlorene Finale.
Spain are record champions of Europe! 🏆🏆🏆🏆#ESPENG #EURO2024 pic.twitter.com/AxmmbrguQA
— DW Sports (@dw_sports) July 14, 2024
Wenigstens kein Terror
Außerhalb des Platzes blieb es ruhig. Kein Spieler oder Funktionär fühlte sich zu politischen Statements berufen. Die bei einigen bisherigen Spielen passierten und vorm Finale in Berlin befürchteten Randale der Engländer blieben aus. Für Deutschland gilt: Alles halbwegs gutgegangen. Nicht nur krönte DFB-Jungstar Jamal Musiala seine überragende Turnierleistung mit der Torjägerkrone, auch erhärtet sich erneut die Erkenntnis: Gegen Spanien darf man schon mal rausfliegen.
Die Deutsche Bahn beschädigte in den vier EM-Wochen das Bild vom funktionierenden Deutschland mehr, als Außenministerin Baerbock es in drei Amtsjahren vermocht hat. „Gefanzerte Paarzeuge“ und „ein Bacon of Hope“ fallen weltweit weniger auf, als wenn ausländische Fans am Bahnhof stehen und einfach nicht wegkommen. Weil der leidgeprüfte Deutsche inzwischen auch die kleinsten Hoffnungsschimmer gut gebrauchen kann: Es gab keine großen Terroranschläge, vor denen die Sicherheitsbehörden vor dem Turnier intensiv gewarnt hatten. Trotz allerlei politischer Prominenz im Stadion. Zumindest das haben wir den Amerikanern immer (noch) voraus. Das ist doch schon mal was.