Hungrige Menschen sind gefährlich. Das wissen Despoten in der Dritten Welt. In vielen undemokratischen Regimen wird Brot staatlich subventioniert, denn erhöhen sich die Preise für die Backware, steigt die Gefahr einer Revolution. Auch hierzulande wissen Politiker um die explosive Kraft der Kostensteigerung. Volksaufstände sind nicht länger gedankliche Auswüchse pessimistischer Schwarzmaler, sondern ein reales Szenario, vor denen mittlerweile selbst die regierungsverantwortliche Kaste warnt.
Die meisten unter uns haben den Preisschock nach Einführung des Euros erlebt. Der kontinuierliche Wertverlust unseres Einkommens ist spürbar, war aber bis Anfang des Jahres noch einigermaßen zu bewältigen. Man hat den Gürtel eben etwas enger geschnallt, große finanzielle Sprünge gut überdacht. Was aber im vergangenen halben Jahr auf die Menschen in Deutschland zukam, ist in der Nachkriegszeit ohne Gleichen und die Kostenspirale dreht sich unaufhörlich weiter nach oben.
Der Mittelstand erodiert rapide. Immer mehr Haushalte müssen ihr gesamtes Einkommen für das tägliche Leben aufwenden. Sparen ist dabei kaum mehr möglich. Dies bestätigte nun auch der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Helmut Schleweis, gegenüber der Welt am Sonntag: „Wir rechnen damit, daß wegen der deutlichen Preissteigerung perspektivisch bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte ihre gesamten verfügbaren Einkünfte – oder mehr – monatlich für die reine Lebenshaltung werden einsetzen müssen.“
Die Krise ist hausgemacht
Die Schlangen vor den Tafeln werden seit Jahren immer länger. Jetzt geht es für viele Menschen auch darum, ob sie ihre Kinder satt bekommen oder hungrig ins Bett schicken müssen. Rentner und Transferleistungsempfänger sind ebenfalls akut von der Mangelernährung betroffen. Ein Laib Brot kostet derzeit um die vier, Butter über drei Euro. Nahrungsmittel verteuerten sich im Durchschnitt um gut 21 Prozent. Die allgemeine Teuerungsrate lag im Juli bei 7,5 Prozent und im Herbst könnte sie sogar zweistellig werden. Dies prognostiziert die Deutsche Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht. Das Auslaufen des Tankrabatts und des Neun-Euro-Tickets spielen dabei eine große Rolle.
Blickt man zum Schweizer Nachbarn deutet die Situation auf politisches Versagen hin, denn während wir hier in Deutschland den Euro zweimal umdrehen müssen, geht es den Eidgenossen noch vergleichsweise gut. Bei ihnen beträgt die Preissteigerung bei Lebensmitteln und Energie lediglich 3,4 Prozent. Dies mag daran liegen, daß die Schweiz ihren Energiebedarf zu einem großen Teil aus Wasser- und Atomkraft bezieht und bei der Strom- und Wärmeerzeugung kaum auf Gas angewiesen ist, wie es in der Bundesrepublik der Fall ist. Hinzukommt die Handelspolitik der Schweizer: Durch Importzölle werden die heimischen Bauern vor ausländischer Konkurrenz geschützt. Die Preise für Lebensmittel bleiben relativ stabil.
Das dicke Ende kommt erst noch
Die große Preissteigerungswelle rollt auf die Endverbraucher derweil erst noch zu, denn die Kosten müssen unweigerlich weitergegeben werden. Für die Produzenten sind die Erzeugerpreise im Juli durchschnittlich um 37,2 Prozent gestiegen. Neben den explodierenden Kosten für Energie haben sich auch die Anschaffungskosten für Metalle, Dünge- und Futtermitteln, Industriegase und Verpackungsmitteln aus Holz erheblich verteuert.
Unterdessen bastelt die Bundesregierung an neuen Entlastungspaketen und rühmt sich damit, Politik für den „kleinen Mann“ zu machen. „You’ll never walk alone“, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vollmundig und pathetisch an. Doch ist dies alles ein schlechter Taschenspielertrick: Sie machen finanzielle Geschenke, um sie uns auf der anderen Seite wieder aus der Tasche zu ziehen.