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Sanktionen gegen Rußland: Peking als lachender Dritter

Sanktionen gegen Rußland: Peking als lachender Dritter

Sanktionen gegen Rußland: Peking als lachender Dritter

Der Ukraine-Krieg hat Auswirkungen auf die globalen Bündnisse (Symbolbild) Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten
Der Ukraine-Krieg hat Auswirkungen auf die globalen Bündnisse (Symbolbild) Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten
Der Ukraine-Krieg hat Auswirkungen auf die globalen Bündnisse (Symbolbild) Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten
Sanktionen gegen Rußland
 

Peking als lachender Dritter

Ukraine-Krieg: China blickt mit größter Aufmerksamkeit auf die westlichen Sanktionen gegen Rußland. Denn deren Auswirkungen sind auch für Peking von Interesse im Hinblick auf die kommenden Konflikte. Ein Kommentar.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Es ist einer von vielen Kriegen, die seit 1945 die Welt heimgesucht haben – und der zweite in unserer Nähe seit dem Zerfall Jugoslawiens und der 78tägigen Bombardierung Serbiens im Jahr 1999. Die Bilder, die uns aus der Ukraine erreichen, sind schrecklich. Noch schrecklicher ist die Vorstellung eines Atomkrieges, die sich in die Kriegspropaganda auch auf westlicher Seite einzuschleichen beginnt.

Etwa, wenn der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij eine Flugverbotszone fordert und damit den Abschuß russischer Maschinen durch Luftstreitkräfte der Nato. Oder wenn Springer-Chef Mathias Döpfner für das militärische Eingreifen des Westens plädiert. Europas mächtigster Verleger schreibe den Dritten Weltkrieg herbei, kommentierte die Neue Zürcher Zeitung.

Zu solchen Maßnahmen wird sich Washington 2022 ebensowenig entschließen wie 1956, als russische Panzer den ungarischen Aufstand niederwalzten. In Washington gelten immer noch die Gebote der Realpolitik. Ein Krieg zwischen zwei Großmächten, von denen jede mehr als 6.000 nukleare Sprengköpfe bereithält, verbietet sich von selbst.

„Ohne die Ukraine kann Rußland nicht zu Europa gehören“

Nicht zufällig hat die US-Regierung eben erst einen zusätzlichen Kommunikationskanal nach Moskau installiert, um Mißverständnisse und einen Atomkrieg aus Versehen auszuschließen. Also wird es vorerst bei einem asymmetrischen Krieg bleiben. Bei einem Krieg, in dem der Kreml die einzige wirkliche Karte ausspielt, die ihm bleibt, nämlich die militärische, und in dem der Westen mit einem nahezu totalen Wirtschafts- und Finanzkrieg reagiert.

Zbigniew Brzezinski, der amerikanische Stratege, schrieb im Herbst 1992: „Ohne die Ukraine kann Rußland nicht zu Europa gehören, wohingegen die Ukraine ohne Rußland durchaus Teil Europas sein kann.“ Um einer von Amerikas „Partnern“ zu werden, fügte er hinzu, müsse Rußland seine imperialen Aspirationen ablegen wie Deutschland und Japan, die Verlierer des Weltkrieges, nach 1945 – kein schmeichelhafter Vergleich für russische Ohren. Nur war 1992 der wirtschaftliche und militärische Wiederaufbau Rußlands genausowenig vorhersehbar wie der Aufstieg der Volksrepublik China zur – kaufkraftbereinigt – größten Volkswirtschaft der Welt. Damit verschob sich die globale Machtbalance grundlegend, aber auch das ist ein seit Jahrhunderten wiederkehrendes Muster.

In diesem Februar war es genau 50 Jahre her, daß Präsident Nixon nach Peking flog und sich mit dem totalitären China Maos arrangierte, um einen Keil zwischen das damals noch bitterarme Reich der Mitte und die dominante Sowjetunion zu treiben. Als China mächtig genug war, die amerikanische Vorherrschaft herauszufordern, ging Donald Trump auf Rußland zu, scheiterte jedoch am Widerstand des Establishments in Washington. Jetzt, mit dem Krieg in der Ukraine, verfestigt sich die noch junge russisch-chinesische Allianz. Von deren Geschlossenheit wird abhängen, wie lange Moskau den asymmetrischen Konflikt mit dem Westen durchstehen kann.

Peking weiß, was die eigenen Reserven wert sind

Peking wird die Finanzsanktionen gegen die Rußländische Föderation mit großer Aufmerksamkeit und noch größerer Besorgnis verfolgen. Sie beinhalten eine bedrohliche Lektion. Da hat der Kreml Devisenreserven in Höhe von umgerechnet 630 Milliarden Dollar angehäuft, um im Ernstfall gegen Wirtschaftssanktionen gerüstet zu sein, und nun stellt sich heraus, daß sie so gut wie nutzlos sind.

Der verfügbare Teil der Reserven schrumpft auf die Goldbarren, das Bargeld und die Yuan-Guthaben, die zuletzt anteilig nach dem Gold knapp 14 Prozent der gesamten Reserven ausmachten. Auch die russische Annahme, der Aufbau von Euro-Reserven zu Lasten des Dollars biete Schutz, hat sich als falsch erwiesen. Der Zahlungsverkehr bleibt im wesentlichen nur noch für die unersetzbaren Exporte von Erdgas und Erdöl nach Europa offen.

Peking weiß nun, was im Ernstfall die eigenen Reserven wert sind. Die umgerechnet drei Billionen Dollar, davon eine Billion in amerikanischen Staatsanleihen, sind heute noch real und morgen schon fiktiv, wenn Washington es so will. Das Ende der Dollar-Hegemonie als ein Grundpfeiler der amerikanischen Weltmacht wird in einer multipolaren Welt langfristig unausweichlich sein, aber bis dahin werden noch viele Jahre vergehen.

Putin zog die letzte rote Linie

Gibt es jetzt noch Hoffnung auf einen für alle Seiten erträglichen Ausgang? Ja, wenn propagandistisch abgerüstet wird, wenn berechtigte Empörung wieder Platz läßt für die Einsicht, daß wir dazu verurteilt sind, mit Rußland auf diesem Kontinent zusammenzuleben. Gerade wenn es stimmt, daß Putin sich verkalkuliert hat, muß ihm ein Ausweg offengelassen werden. Wenn nicht, droht ein jahrelanger Konflikt mit steigenden menschlichen und materiellen Kosten für alle Beteiligten.

Vom ersten Tag des Krieges an lagen die Pläne für einen Partisanenkrieg in der Ukraine in den Schubladen der CIA, die Pläne für ein zweites Afghanistan Rußlands, wie Foreign Affairs berichtete. Als die Sowjetunion 1962 dabei war, Raketen auf Kuba zu stationieren, mußte Präsident Kennedy handeln. Er tat es auf eine Weise, die den Nuklearkrieg vermied. Er ließ Moskau das Gesicht wahren. Die sowjetischen Schiffe kehrten um, und die USA zogen ihre Atomraketen aus der Türkei ab.

So schwer ein Deal jetzt auch erreichbar scheint, er war doch schon Gegenstand von monatelangen Verhandlungen. Im Juni 2021 konferierten die Präsidenten Biden und Putin in Genf. Im Oktober flog die dezidiert rußlandfeindliche Victoria Nuland in Vertretung von US-Außenminister Antony Blinken für drei Tage nach Moskau. Im November folgte ihr CIA-Direktor William Burns. Worüber gesprochen wurde, liegt im Bereich der Spekulation. Aktenkundig sind nur zwei Vertragsentwürfe, die Moskau vorlegte.

Putin zog ein letztes Mal die rote Linie, auf der er seit dem Nato-Beschluß von Bukarest 2008 unmißverständlich bestanden hatte. Er verlangte ein formelles Ende der Nato-Osterweiterung und damit die Absage an eine Aufnahme der Ukraine, außerdem keine weitere Militärhilfe an Kiew, keinen weiteren Ausbau der militärischen Nato-Infrastruktur in Osteuropa und ein Verbot von Mittelstreckenraketen in Europa. Die Vertragsentwürfe enthielten Ansätze zur Abrüstung und Entspannung in Europa, allerdings unter der Bedingung einer neutralen Ukraine. Die ernsthafte Rückkehr an den Verhandlungstisch mag ein Wunschtraum sein. Die Alternative wäre eine sehr lange Eiszeit in Europa und die Zementierung eines letztlich unangreifbaren, autarken chinesisch-russischen Blocks mit einem amerikanischen Brückenkopf am westlichen Rand der eurasischen Landmasse.

JF 11/22

Der Ukraine-Krieg hat Auswirkungen auf die globalen Bündnisse (Symbolbild) Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten | Ulrich Baumgarten
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Marc Jongen, ESN Fraktion
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