Die Unruhen und Plünderungen in Südafrika sind die größten jemals, und stellen alles in den Schatten, was es unter früheren weißen Regierungen gegeben hat – ja sogar die weltberühmt gewordenen amerikanische Aufstände wie jene 1967 in Detroit, die Rodney-King-Krawalle in Los Angeles von 1992 oder die neueren Unruhen nach dem Tod George Floyds in Minneapolis im Mai 2020.
Gäbe es eine Art Olympiade für Ausschreitungen, Plünderungen und mutwillige Zerstörungen, würde Südafrika, genauer gesagt die südafrikanischen Schwarzen, die Goldmedaille gewinnen. Der Minister des Präsidialamts, Khumbudzo Ntshavheni, gab die offizielle Zahl der Todesopfer nun mit 212 Personen sowie 2.554 Verhaftungen bekannt.
Diese Verhaftungen stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den Zehntausenden von Verbrechen, die innerhalb weniger Tage begangen wurden, darunter Diebstahl, Sachbeschädigung, Brandstiftung, Körperverletzung, Einschüchterung und Mord. In den meisten Fällen sahen die Polizei und sogar die Armee tatenlos zu, während Plünderer Supermärkte, Lagerhäuser und Lastwagen von Südafrikas Einzelhandelsriesen ausräumten.
Polizei und Geheimdienst waren nutzlos und nirgendwo zu finden
Es war sozusagen wie Weihnachten im Juli, als sich Plünderer an Flachbildfernsehern, Geschirrspülern und Kühlschränken sowie an Lebensmitteln und Alkohol bedienten. Auch Apotheken und sogar eine Fabrik, die HIV-Medikamente herstellt, wurden leergeräumt. Dabei waren die Plünderungen organisiert: Eine Gruppe von Gesetzlosen kam mit Autos, Pritschen- und sogar Lieferwagen, um Waren einzuladen, unterstützt von einem größeren Mob hauptsächlich junger schwarzer Männer, einer Art Abteilung Fußsoldaten.
Selbst der regierungstreue Kommentator Dr. Piet Croucamp von der Universität Johannesburg, der normalerweise die Weißen und „350 Jahre Apartheid“ für alles verantwortlich macht was im Land schief läuft, stellte in der Sonntagszeitung Rapport fest: „Die Polizei war nirgends zu finden. Sie war nutzlos. Die Geheimdienste existieren nicht … es war ein vorübergehender Sieg der Randalierer.“ Und ein ehemaliger (weißer) Polizeichef aus der Provinz Kwazulu-Natal, wo die meisten Unruhen stattfanden, Johan Booysen, sagte: „Entweder hatte die Polizei Informationen und hat nicht gehandelt oder sie hatte keine Informationen, was ebenso erschreckend ist.“
Bürgermilizen und Sicherheitsdienste mußten Leben und Eigentum schützen
Schließlich mußten private Sicherheitsfirmen und Bürgermilizen die Arbeit der Polizei übernehmen, um Leben und Eigentum zu schützen, einige mit Gewehren, aber die meisten mit Baseball- oder Golfschlägern, Knüppeln und Stöcken. Obwohl einige Wohnhäuser in Durban, nach Johannesburg und Kapstadt die drittgrößten Metropole im Land, aus Furcht vor den Plünderern aufgegeben werden mußten, blieben private Häuser verschont, da sich die Gewalttäter auf Geschäfte, Supermärkte und Auslieferungslager konzentrierten.
Der Grund für die Unruhen, so wird behauptet, sei die Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten der Republik Jacob Zuma (ANC) am 8. Juli wegen Mißachtung des Gerichts gewesen: er hatte sich geweigert, vor einer Untersuchungskommission zur staatlichen Korruption zu erscheinen. Zuma, ein ethnischer Zulu, sieht sich außerdem mit Hunderten von Korruptions- und Erpressungsvorwürfen konfrontiert, die in die Zeit zurückreichen, als Nelson Mandela erster schwarzer Präsident (1994–1999) des Landes war und in der der so genannte „Arms Deal“ (Waffendeal) mit deutschen, britischen, französischen und schwedischen Rüstungsfirmen stattfand. Der französische Waffenlieferant Thales soll ihm und anderen Bestechungsgelder für Verträge gezahlt haben.
Zuma und seine Familie steckten während seiner Zeit als Präsident (2009–2018) auch mit einer Familie aus Indien, den Guptas, unter einer Decke. Diese übte einen immensen Einfluß auf Südafrikas ANC-Regierung aus und sagte sogar deren Beamten, was sie zu tun hatten, außerdem konnten sie Militärflughäfen für sich nutzen und riesige Mengen öffentlichen Geldes auf ihre Bankkonten im Emirat Dubai transferieren.
Inder gegen Schwarze
Ironischerweise kam es in der vergangenen Woche in der Provinz Kwazulu-Natal, wo beide Gruppen traditionell ansässig sind, zu gewalttätigen ethnischen Zusammenstößen zwischen Indern und Zulus. Die Wut wallte in der 175.000-Einwohner-Stadt Phoenix, zwanzig Kilometer von Durban, auf, wo indische Milizionäre ihr Gebiet absperrten und Schwarzen den Zutritt verweigerten. Auf Twitter kursierte ein Video, das mehrere Leichen von Zulus zeigt, die angeblich in Phoenix von Indern erschossen wurden. Der Hashtag #Phoenixmassacre trendete unter südafrikanischen Twitter-Nutzern. In anderen Teilen der Provinz standen eine Minderheit von Weißen und Inder in einer Art „indo-europäischer“ Allianz gegen die Zulus zusammen, um ihre Häuser vor Plünderungen zu schützen.
Der Schaden, der bis Ende vergangener Woche angerichtet wurde, wird auf 100 Milliarden Rand (etwa sechs Milliarden Euro) geschätzt und trifft die Wirtschaft genau zu der Zeit, in der sie sich von mehreren Covid-Sperren erholen muß. Die optimistische Interpretation ist, daß die Unruhen dem derzeitigen, ineffektiven Präsidenten des Landes, Cyril Ramaphosa (ANC), gegenüber seinem Hauptkonkurrenten, Jacob Zuma, sowie den Radikalen in seiner eigenen Partei, die eine extremere sozialistische Politik wollen – etwa Verstaatlichung allen Landes und die Kollektivierung der Landwirtschaft – politisch genützt haben.
Der ANC – eine Partei, in der Loyalität ganz offen gekauft und verkauft wird
Ein schwarzer Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Witwaterstrand in Johannesburg, Lumkile Mondi, meinte sogar: „Ich denke, das ist sehr positiv für internationale Investoren“ und sprach von einer „Geldflut“, die nun nach Südafrika fließen werde.
Die Bilder von riesigen Lagerhallen, umgeben von Tausenden von Plünderern, werden also internationale Investitionen nach Südafrika locken? In gewissem Sinne ist diese Idee nicht mehr oder weniger absurd als die Vorstellung, daß die ehemalige marxistisch-terroristische Bewegung, die der ANC – der African National Congress – einmal war, und die jetzt eine korrupte politische Partei ist, in welcher Loyalität ganz offen gekauft und verkauft wird, einen „guten Job“ beim Regieren machen würde.
Überraschenderweise hat noch niemand die Weißen beziehungsweise die Apartheid für die Unruhen verantwortlich gemacht. Aber wenn mit dem Finger auf sie gezeigt wird, müssen die EU und Nordamerika einen Teil der Schuld für das übernehmen, was jetzt schnell zum Zerfall der südafrikanischen Gesellschaft wird. Mit ihrer vergangenen Fixierung auf einen Regimewechsel im Land, ihrer Romantisierung von Revolution, Terrorismus und Mobgewalt als „Akte der Befreiung“ haben sie die Saat für Südafrikas Zerstörung gelegt.
Die Gewalt des Mobs ist integraler Bestandteil der „Demokratie“ in Südafrika
Mobgewalt ist ein wichtiges Werkzeug im Arsenal von Politikern in ganz Afrika. Oft ist es die Gewalt des Mobs oder zumindest die Drohung mit ihr, die den Sieg an den Wahlurnen sichert. Sie ist also ein integraler Bestandteil der „Demokratie“ – in Südafrika wie auch anderswo auf dem Kontinent.
Die Hauptursache für die Unruhen sind also die Spannungen zwischen den Fraktionen der Regierungspartei ANC. Selbst der linksextreme Politiker Julius Malema, von der Partei Economic Freedom Fighters, stimmt dem zu, da er sich weigerte, an „Friedensgesprächen“ zwischen den politischen Parteien Südafrikas teilzunehmen. In Bezug auf die Unruhen in den beiden betroffenen Provinzen Kwazulu-Natal und Gauteng erkannte er hellsichtig: „Dies ist ein Kampf zwischen Fraktionen – ganz und gar zwischen Fraktion –, der nichts mit uns zu tun hat.“
——
Dr. Dan Roodt ist Schriftsteller, Herausgeber und politischer Kommentator und gelegentlicher Gast in den südafrikanischen Medien. Der ehemalige linke dann rechte Aktivist stieg 2015 aus der Politik aus, setzt sich aber weiterhin für die Rechte der Afrikaaner ein, etwa durch publizistische Unterstützung der von ihm gegründeten Pro-Afrikaans Action Group (PRAAG). Geboren wurde er 1957 in Johannesburg.