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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Kanzlerkandidaten: Im Vorhof des Kanzleramts

Kanzlerkandidaten: Im Vorhof des Kanzleramts

Kanzlerkandidaten: Im Vorhof des Kanzleramts

Kanzleramt Berlin
Kanzleramt Berlin
Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin Foto: picture alliance/dpa | Christophe Gateau
Kanzlerkandidaten
 

Im Vorhof des Kanzleramts

Union und Grüne haben ihre Kanzlerkandidaten nominiert. Die demonstrative Einmütigkeit und professionelle Kommunikation bei den einen, die gegenseitige Demontage und Gezerre ohne klaren Sieger bei den anderen illustriert überdeutlich, wie eine neu erstarkte Machtmaschine sich anschickt, eine alte und verbrauchte abzulösen. Ein Kommentar.
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Markus Söder hatte das vorläufig letzte Wort: „Die Würfel sind gefallen – Armin Laschet wird Kanzlerkandidat.“ Während die Grünen mit der Leichtigkeit des Medienlieblings in perfekter Choreographie ihre Co-Vorsitzende Annalena Baerbock zur Bewerberin um die Merkel-Nachfolge proklamierten, ohne daß dabei ein Mißton nach außen gedrungen wäre, quält sich der CDU-Vorsitzende wie ein angeschlagener Boxer zur Spitzenposition im Wahlkampf, die ihm nach bisheriger Unions-Gewohnheit von Amts wegen unbestritten hätte zustehen müssen.

Der augenfällige Kontrast – demonstrative Einmütigkeit und professionelle Kommunikation bei den einen, gegenseitige Demontage und Gezerre ohne klaren Sieger bei den anderen – illustriert überdeutlich, wie eine neu erstarkte Machtmaschine sich anschickt, eine alte und verbrauchte abzulösen.

Bei der Union wird das Würfeln weitergehen. Armin Laschet ist jetzt noch mehr Parteichef auf Bewährung. Mit Ach und Krach hat er nach stundenlanger Parforce-Sitzung gerade mal zwei Drittel seines Parteivorstands hinter sich gebracht. Jede Panne, jeder Fehler wird ab jetzt seinen Gegnern in den eigenen Reihen Auftrieb geben. Verliert er im September gegen die Grünen, kann er gleich wieder seinen Hut nehmen; wäre er Söder unterlegen, hätte er sofort gehen müssen.

Kader- und Jasager-Partei

Der bayerische Ministerpräsident dagegen kann genüßlich zuschauen, wie Laschet sich abstrampelt, und dabei weiter sticheln. Ihn muß jetzt nur noch das Ergebnis der CSU im eigenen Land interessieren. Scheitert die Union im Bund, muß ihn das nicht berühren; die Verantwortung dafür hat ja jetzt sein Kontrahent, und dessen Niederlage würde seinen eigenen Marktwert nur steigern.

Über beiden Nachfolgeaspiranten und über der gesamten Union lastet noch immer wie eine Betonplatte der Schatten der Amtsinhaberin, die in sechzehn Regierungsjahren und vorangegangenen weiteren vier Jahren als Vorsitzende die CDU inhaltlich entkernt und zur quasi-feudalistischen Kader- und Jasager-Partei umgeformt hat.

Armin Laschet war ihr Werkzeug, um den Wiederkehrer Friedrich Merz vom Parteivorsitz fernzuhalten. Danach hat sie ihn faktisch fallengelassen; ihr eisiges Schweigen im Streit um die Kanzlerkandidatur und die offene Parteinahme ihres Paladins Peter Altmaier für Markus Söder sprachen Bände. Der einstige schwarz-grüne Pizza-Connection-Veteran Laschet hat als treuer Merkelianer Karriere gemacht, auch wenn er gelegentlich abweichende Positionen einnahm, etwa in der Causa Sarrazin, und heute in NRW mit der FDP regiert.

Es ist ein Gradmesser für den Linksrutsch der Merkel-Union, daß der einstige Linksausleger Laschet heute am ehesten noch als in der alten CDU verwurzelter Ausgleicher erscheint, der auch Vertreter anderer Strömungen einbinden kann.

Im Merkel-Ähnlichkeits-Wettbewerb hat er zuletzt den kürzeren gezogen gegen den wetterwendischen CSU-Chef Markus Söder, der sich als Nachfolger zu empfehlen suchte, indem er den autoritären Kurs der Kanzlerin noch übertrumpft. Ob die daraus abgeleiteten zeitweiligen guten Umfragewerte einen weiteren Corona-Sommer überstanden hätten, ist durchaus nicht ausgemacht.

Baerbocks Laufbahn ist reine Parteikarriere

Während sich die Beobachter mit Begeisterung über Personalfragen und Querelen der paralysierten Merkel-Union beugen, vermag kaum jemand zu sagen, für welche Politik Armin Laschet und Markus Söder denn nun genau stehen wollen. Letztlich bedeutet der eine wie der andere die Fortsetzung des Merkelismus mit anderen Mitteln. Immerhin haben beide Führungserfahrung, sie leiten Landesregierungen und haben auch schon als Spitzenkandidaten Wahlen gewonnen.

Das ist bedeutend mehr, als man über Annalena Baerbock sagen kann, die offiziell seit dem 19. April, tatsächlich aber schon seit geraumer Zeit als Kanzlerkandidatin der Grünen gesetzt ist. Ihre ausschlaggebende Qualifikation: ihr Frau-Sein. Co-Parteichef Robert Habeck war immerhin schon Minister, hat Wahlkämpfe geführt und eine Koalition ausgehandelt.

Nach sachlichen Kriterien wäre er der naheliegendere Kandidat gewesen. Baerbocks Laufbahn ist dagegen eine reine Parteikarriere; das Prädikat „young global leader“ („junge globale Führungskraft“), das ihr von Klaus Schwab verliehen wurde, dem Erfinder von Weltwirtschaftsforum und „Great Reset“, ist dafür kaum ein adäquater Ersatz.

Apolitische Sehnsüchte grüner Spießbürger

Die Anekdoten über Baerbocks legendäre Torheit und Ahnungslosigkeit – das Stromnetz als Energiespeicher, die „Kobolde“ in der Autobatterie und dergleichen mehr – sollten freilich niemand täuschen. Unwissenheit ist Stärke. Ihr scheinbar naives Geplapper ist die perfekte Projektionsfläche für die romantischen und apolitischen Sehnsüchte grüner Spießbürger, die unter Politik verstehen, anderen unter Mißbrauch der Staatsmacht ihren Lebensstil aufzuzwingen.

Baerbock verkörpert das grüne Programm, das knallharte Ideologie in Wohlfühlphrasen verpackt: „Antifa“-Verherrlichung, „einladende Einwanderungspolitik“, autoritärer und planwirtschaftlicher Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft im Namen von Klimaschutz, „Antirassismus“ und Minoritäten-Ermächtigung. Die professionelle und fehlerlose PR-Inszenierung ihrer Kandidatenkür spiegelt den Willen der Grünen zur Macht.

Beim Kampf darum können sie sich auf die Unterstützung großer Teile der Medien verlassen. Nachdem sie gesellschaftliche Herrschaft so lange indirekt ausgeübt und der gesamten etablierten Politik ihre Agenda übergestülpt haben, werden sie diese nun auch zu nutzen wissen.

Der Union droht dagegen, mit oder ohne Söder, mit dem Verlust der zum Selbstzweck gewordenen Regierungsmacht eine Niederlage, an der sie zerbrechen könnte.

JF 17/21

Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin Foto: picture alliance/dpa | Christophe Gateau
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