Das Coronavirus entfaltet neben seinem negativen Einfluß auf Volkswirtschaft und Gesundheit auch immer mehr seine spalterische Wirkung auf die Gesellschaft. Die politische Debatte über den richtigen Umgang mit der Pandemie bringt für immer mehr Menschen eine Entzweiung mit sich, die weit über das von oben angeordnete Social-Distancing hinausgeht. Nicht immer wirkt es so, als lägen die Gründe hierfür einzig und allein in einer unterschiedlichen Haltung in der Sache an sich.
Vor allem in Prominentenkreisen scheint es selbst bei so einem ernsten Thema auch darum zu gehen, worum es in diesem Milieu eigentlich immer geht: Aufmerksamkeit, Zuschauer und die Befriedigung der eigenen Profilneurose. Die ARD-Moderatorin Anne Will hat sich Anfang dieser Woche über ihre Kollegen vom ZDF geärgert. Dort laufen seit dem Aufkeimen der Corona-Krise nämlich zahlreiche Sonder-Informationssendungen.
Auch an den Sonntagabenden, wo doch traditionell Will ihre Show hat, zumindest wenn sie nicht gerade in einem ihrer ausgedehnten Urlaube ist. „Ich glaube, es braucht kein „Duell“ von Sonntagabend-Talks. Ich bin ein großer Fan des ZDF und deren Nachrichten- und Politikformaten und fände es deshalb sehr Zuschauer*Innenfreundlich, wenn wir nicht zeitgleich sendeten. Aber hey …“ kommentierte die eingeschnappte TV-Diva einen Medienbericht über das öffentlich-rechtlichen „Infokrieg“ am Sonntagabend.
Ich glaube, es braucht kein „Duell“ von Sonntagabend-Talks. Ich bin ein großer Fan des @zdf und deren #Nachrichten– und #Politikformaten und fände es deshalb sehr Zuschauer*Innenfreundlich, wenn wir nicht zeitgleich sendeten. Aber hey … 🤷🏻♀️ https://t.co/MW2wPuCfKW
— Anne Will 😷 (@annewill) April 6, 2020
Dabei handelte der Bericht sogar davon, daß Will sich in diesem bislang Woche für Woche als Quotensiegerin durchsetzt. Aber allein die Tatsache, daß es vor allem ihre ZDF-Talkshow-Kollegin Maybrit Illner überhaupt wagt, ein wenn auch inhaltlich ziemlich ähnliches Konterprogramm zu setzen, scheint ihre gebührenfinanzierte Konkurrenzscheue bereits so in Wallung zu versetzen, daß sie dadurch die geradezu sozialistisch anmutende Informationseinheit des Staatsfernsehens gefährdet sieht. Majestätsbeleidigung ist das freche Antreten von Illner am Will-Abend natürlich sowieso.
Merkel, die oberste Hoffnungstöterin des Corona-Kabinetts
Auch unsere Bundeskanzlerin hat sich kurz vor Ostern noch einmal zur vielleicht größten Krise der deutschen Nachkriegsgeschichte geäußert. Einmal mehr machte sie dabei deutlich, daß sie auch die von ihr angeordneten Maßnahmen zur Seucheneindämmung wieder einmal als absolut alternativlos betrachte. Deshalb müßten diese natürlich auch über Ostern hinaus Bestand haben. Schönes Wetter ist für die Königin der geistigen Sonnenfinsternis und ehemalige FDJ-Sekretärin natürlich gleich gar kein Argument, die Menschen rauszulassen.
Im Gegenteil. Die Kanzlerin warnt ihr Volk vor durch Hoffnung hervorgerufene Leichtsinnigkeit. „Und ich kenne das auch von mir persönlich: Man hat ein bißchen Hoffnung, dann gewinnt man Zutrauen, dann ist man innerlich etwas entspannter, und schon ist man auch ein bißchen leichtsinnig“, sagte die oberste Hoffnungstöterin des Corona-Kabinetts in einer ihrer kafkaesken Pressekonferenzen.
Die Deutschen entdecken derweil mit einer geradezu masochistischen Leidenschaft ihre alte Liebe zu Angela Merkel wieder. Je strenger „Mutti“ mit ihnen ist, desto besser bewerten ihre Untertanen die Arbeit ihrer gewählten Herrin. Von dieser Mentalität profitiert auch eine weitere einst beliebte politische Führungskraft, der das Volk längst die Zuneigung entzogen zu haben schien. Der sogenannte „Kampf gegen Fake-News“ beschert uns dieser Tage die Auferstehung der „Zensursula“ von der Leyen.
Viele werden sich wohl gar nicht mehr so richtig daran erinnern, daß die heutige Chefin der EU-Kommission anno 2009 als damalige Bundesfamilienministerin mit einem Gesetzesvorstoß zur Sperrung von Internetseiten für eine der ersten großen politischen Debatten und Shitstorms auf Twitter sorgte. Obwohl es damals um die Sperrung von Websites mit kinderpornographischem Inhalt ging, regte sich in der Netzgemeinde noch großer Widerstand gegen das Eingreifen der Politik in die Freiheit des Internets.
Wenn von der Leyen heute gegen tatsächliche und angebliche Corona-Fake-News vorgehen will und von Privatunternehmen wie Facebook fordert, die Verbreitung aller nicht von auserwählten „Faktencheckern“ abgesegneten Meldungen zu unterbinden, erntet sie dafür, wie schon die tapferen Kämpfer gegen jegliche rechte Haßrede, weitgehend Applaus. Übrigens oft und gerade auch aus den Reihen, in denen man sich damals am meisten über das von ihr geplante Antikinderpornogesetz empört hatte.
Übereifrige Polizisten und Ermittlungsbehörden
Kein Gesetz ist so streng, daß es durch übereifrige Polizisten und Ermittlungsbehörden nicht noch strenger ausgelegt werden könnte. In München hat die Polizei einem Twitter-Nutzer auf Nachfrage mitgeteilt, es sei ihm nicht erlaubt, alleine auf einer Bank zu sitzen, um ein Buch zu lesen. Nachdem der Hauch von chinesischer Kulturrevolution, der da offenbar durch die bayrischen Parks wehte, dann doch auch vielen Befürwortern der Maßnahme ein wenig zu kalt erschien, ruderte die Staatsmacht zurück und gab bekannt, daß die Regelungen inzwischen geändert worden und das einsame lesen auf einer Bank nun erlaubt seien.
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In Mannheim kennt die Polizei da weniger Gnade mit aufmüpfigen Bürgern, die auch in Zeiten von Corona noch auf ihre Grundrechte bestehen. Die Beamten sehen sich dort offenbar als eine Art politische Polizei oder bewaffneter Arm einer „Stay at Home“-Bewegung. Nachdem ein 32 Jahre alter Mann aus dem nahegelegenen Weinheim im Internet anonym zu einer Demonstration gegen die aktuellen Grundrechtseinschränkungen aufgerufen hatte, veröffentlichte die Polizei nicht nur eine der Situation völlig unangemessene vor Emojis strotzende Erklärung auf Facebook, sondern führte nach Ermittlung der Identität des Protestaufrufers auch eine Hausdurchsuchung bei ihm durch und nahm den Mann vorübergehend fest.
Wem das noch nicht genug politische Polizei ist, für den können die Mannheimer Ordnungshüter offenbar jederzeit problemlos noch einen draufsetzen. Kürzlich teilte das Polizeipräsidium Mannheim gemeinsam mit der Heidelberger Staatsanwaltschaft mit, daß man Ermittlungen gegen die Rechtsanwältin Beate Bahner eingeleitet habe. Bahner ist jene Juristin, die angekündigt hatte, wegen der in ihren Augen verfassungswidrigen Corona-Verordnungen vor Gericht und zur Not bis nach Karlsruhe zu ziehen.
Weil auch sie auf ihrer Homepage zu Demonstrationen aufgerufen haben soll, wurden nun Ermittlungen aufgenommen, in die sich auch das Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg eingeschaltet hat. Wer jetzt immer noch nicht findet, daß dem Vorgehen der Staatsmacht hier zumindest ein sehr übler Beigeschmack anhaftet, der hat sehr wahrscheinlich bereits jedes rechtsstaatliche Wahrnehmungsempfinden verloren.