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AfD-Rauswurf von Andreas Kalbitz: Ein überfälliger Befreiungsschlag

AfD-Rauswurf von Andreas Kalbitz: Ein überfälliger Befreiungsschlag

AfD-Rauswurf von Andreas Kalbitz: Ein überfälliger Befreiungsschlag

Björn Höcke und Andreas Kalbitz
Björn Höcke und Andreas Kalbitz
Björn Höcke (l), Vorsitzender der AfD in Thüringen und Andreas Kalbitz, Ex-Landesvorsitzender der AfD in Brandenburg unterhalten sich. Foto: Patrick Pleul
AfD-Rauswurf von Andreas Kalbitz
 

Ein überfälliger Befreiungsschlag

Die Entscheidung des Bundesvorstands der AfD ist ein mächtiges Ausrufezeichen. Andreas Kalbitz fordert jetzt Loyalität von der Partei, zeigte sich jedoch selbst illoyal, indem er die Partei wiederholt über seine Vergangenheit belog. Er engagierte sich im NPD-Umfeld und schleuste von dort Gefolgsleute in die AfD. Der Verfassungsschutz wartete nur darauf. Der Befreiungsschlag war überfällig. Ein Kommentar von Chefredakteur Dieter Stein.
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Der Rauswurf von Andreas Kalbitz aus der AfD ist ein Befreiungsschlag. Es ist der härteste Hieb gegen den rechten Flügel seit Gründung der Partei 2013. Und ein mächtiges Ausrufezeichen, das schon lange überfällig war, wenn die AfD die wachsende Gefahr, in einem politischen Ghetto zu enden, noch einmal abwenden will.

Warum stürzte der brandenburgische Landes- und Fraktionschef? Er hat entgegen dem Parteimotto „Mut zur Wahrheit“ gehandelt und beim Ausfüllen des Aufnahmeantrags 2013 und bei späteren Kandidaturen schlicht gelogen. Er hat sowohl seine – politisch tragbare – frühere Mitgliedschaft bei den Republikanern verschwiegen als auch seine offenbar inzwischen unzweifelhafte Mitgliedschaft in der 2009 vom Bundesinnenminister verbotenen rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Allein deshalb konnte die AfD nun seine Mitgliedschaft mit sofortiger Wirkung für nichtig erklären.

Kalbitz engagierte sich im NPD-Umfeld

Andreas Kalbitz war kein unbedarfter Jüngling, sondern ein intelligenter, erwachsener Mann Mitte Dreißig, als er in kurzen Lederhosen Jugendlager der HDJ besuchte, von der er selbstverständlich wußte, daß sie eine Vorfeldorganisation der rechtsextremen NPD war. In dieser Szene war Kalbitz in unterschiedlichen Organisationen hochaktiv und aus diesen Zusammenhängen aktivierte er auch teilweise Gefolgsleute und Mitarbeiter, die er in die AfD schleuste. Er lieferte dem Verfassungsschutz quasi auf dem Silbertablett jene Anhaltspunkte, die jetzt die Einordnung der AfD als Verdachtsfall erleichtern.

Politische Irrtümer kommen vor. Viele Menschen wandeln sich politisch. Es gibt CDU-Bürgermeister, die vor Jahrzehnten in der NPD waren. Nur sollte sich derjenige dann zu dieser Vorgeschichte erklären können. Er sollte in der Lage sein, sich von einem politischen Irrweg zu distanzieren oder diesen einzuordnen. Dazu war Kalbitz nicht bereit.

Wenn Illoyale Loyalität fordern

Es ist erstaunlich, daß ein Mann, der die Partei nun nachweislich mehrfach belogen und sich damit illoyal verhalten hat, von der Partei seinerseits Loyalität erwartet, wenn Dinge ans Licht kommen, die ihn überführen. Hier zeigt sich ein wiederkehrendes Muster moralischer Asymmetrie. „Radikale“ in der AfD – die die Partei in politisch existenzbedrohende Lagen steuern – fordern Solidarität und Loyalität, die sie selbst nicht zu üben bereit sind.

Die AfD hat sich mit dem Ausschluß von Kalbitz des neben Björn Höcke mächtigsten und einflußreichsten Kopfes des „Flügels“ entledigt. Wie kein anderer hat Kalbitz quer durch Deutschland Strippen gezogen und Mehrheiten organisiert, hatte oft dafür gesorgt, daß auf Parteitagen „Flügel“-Truppen zum Zünglein an der Waage wurden.

Die Unterwanderung war vorprogrammiert

Zur Erinnerung: Die AfD wurde zur erfolgreichsten nichtlinken Parteineugründung seit 1949, weil sie eben nicht wie zuvor erfolglose Splitterparteien aus dem einschlägigen Rechtsaußenmilieu entstanden war, sondern sich auf respektable Köpfe aus der bürgerlichen Mitte stützen konnte. Nur deshalb entfaltete sie eine solche mobilisierende Kraft. Bereits kurz nach dem blitzartigen Erfolgsstart war aber programmiert, daß sich politisch erheblich vorbelastete Kräfte mit langen Lebensläufen in rechtsradikalen oder rechtsextremen Organisationen bemühen würden, das Projekt AfD zu entern.

Die AfD installierte gegen diese Bemühungen wohlweislich eine „Firewall“, eine Unvereinbarkeitsliste, die den Hauptansturm aus der rechtsextremen Szene abwendete – es kam dennoch zu einer subkutanen Unterwanderungsstrategie, in deren Zentrum der „Flügel“ und sich aus länger zurückreichenden Zusammenhängen kennende Netzwerke stehen. Schon seit Jahren werden nicht von ungefähr Stimmen im „Flügel“-Umfeld immer lauter, die Unvereinbarkeitsliste zu kippen, die „Distanzeritis“ zu stoppen und „alle Patrioten“ (sprich einschließlich des NPD-Milieus) in die Partei zu lassen.

Wer dem Verfassungsschutz mutwillig und systematisch Gründe liefert

Die systematische Ächtungsstrategie, die sowohl von den übrigen etablierten Parteien als auch vielen Medien gegen die AfD gefahren wird, hat in den vergangenen Jahren zu einem stetigen Aderlaß gemäßigter Funktionäre und Mitglieder geführt. Politisch existenzbedrohend wurde dieser Trend zuletzt durch die sich zuspitzende Gefahr der Beobachtung und Einordnung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall.

Natürlich wird der Verfassungsschutz politisch instrumentalisiert und mißbraucht, um Konkurrenz im Parteienwettbewerb zu diskriminieren. Dies kann man nicht scharf genug kritisieren. Es ist auf der anderen Seite die Frage, wer mutwillig und sogar systematisch in der AfD und in ihrem Umfeld darauf hinarbeitet und Gründe liefert, um die Partei leichtfertig als rechtsextreme Organisation abstempeln zu können.

Verantwortung für die Gesamtpartei

Wie geht es weiter? Die Mehrheit des AfD-Bundesvorstandes hat die Partei mit der schon vorangegangenen erzwungenen Auflösung des „Flügels“ und dem Ausschluß von Kalbitz auf ein Gleis gesetzt, das langfristig zum Erfolg führen kann. Und politisch erfolgreich wird die AfD nur werden, wenn sie bei Wahlen im Westen zulegt. Eine radikalisierte, vom Verfassungsschutz beobachte „Lega Ost“ wird keine Zukunft haben. Eine jüngst von der JF in Auftrag gegebene Umfrage hat dies auch noch einmal unterstrichen.

Daß nun die Befürworter des Ausschlusses – wie Parteichef Jörg Meuthen – die formalen Gründe betonen und erklären, es handle sich bei den Maßnahmen gegen Kalbitz nicht um eine politisch-inhaltliche Entscheidung, zeigt das erkennbare Bemühen, die Fliehkräfte, die dieser Schritt auslösen kann, wieder einzufangen. Das ist nicht mehr und nicht weniger als Demonstration von Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Gesamtpartei, die sich endlich wieder auf ihre Hauptaufgabe konzentrieren muß: den Kampf gegen den politischen Gegner.

Björn Höcke (l), Vorsitzender der AfD in Thüringen und Andreas Kalbitz, Ex-Landesvorsitzender der AfD in Brandenburg unterhalten sich. Foto: Patrick Pleul
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