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Einstufung von „Ende Gelände“ als extremistisch: Wenn der Verfassungsschutz ausschert

Einstufung von „Ende Gelände“ als extremistisch: Wenn der Verfassungsschutz ausschert

Einstufung von „Ende Gelände“ als extremistisch: Wenn der Verfassungsschutz ausschert

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Proteste von „Ende Gelände“ in Nordrhein-Westfalen Foto: imago images / Cord
Einstufung von „Ende Gelände“ als extremistisch
 

Wenn der Verfassungsschutz ausschert

Daß der Verfassungsschutz in Berlin die radikal linksökologischen Gruppierung „Ende Gelände“ als „linksextremistisch“ einstuft, sorgt im linken Lager für große Aufregung. Auf einmal legt man großen Wert auf die Unterscheidung zwischen extrem und radikal. Wenn es um die politsche Rechte geht, ist man da sonst nicht so differenzierungsfreudig. Ein Kommentar von Boris T. Kaiser.
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Cato, Weidel, Exklusiv

Daß der Verfassungsschutz in Berlin die radikal linksökologischen Gruppierung „Ende Gelände“ als „linksextremistisch“ einstuft, sorgt im linksökologischen Lager wenig überraschend für große Aufregung. Die Argumente derer, die besonders laut gegen die Entscheidung wettern, lassen sich im Wesentlichen so zusammenfassen: Die Umweltschützer können gar nicht extremistisch sein, da sie ja schließlich nicht rechts sind. Der Grünen-Landesvorsitzende Werner Graf findet: Daß der Verfassungsschutz trotz der rechtsextremen Terrorgefahr „penibelst darauf bedacht“ sei, die Gefahr von links und rechts als gleich darzustellen, stelle „seine Existenz immer mehr in Frage“.

Die Tatsache, daß der Verfassungsschutz linken Extremismus genauso intensiv bekämpfen will wie rechten, stellt für den Berliner Grünen-Chef also dessen Existenz in Frage. Deutlicher kann ein Politiker eigentlich gar nicht mehr zum Ausdruck bringen, daß er den Nachrichtendienst, der eigentlich doch der Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienen soll, als gehorsames Vollstreckungsorgan für die Bekämpfung des politischen Gegners begreift. Auch der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, forderte auf Twitter, wegen der Neueinstufung von „Ende Gelände“ den Verfassungsschutz abzuschaffen.

Nachdem in jüngster Zeit mehrere Vereinigungen, bis hinein in die größte Oppositionspartei im Bundestag, ins Visier der Verfassungsschutzbehörden geraten und von diesen teilweise als extremistisch eingestuft wurden, ist es für mächtige Sozialisten und Grüne offenbar geradezu ein Affront, daß nun tatsächlich auch mal wieder einer linken, oder besser gesagt sehr linken Organisation die Verfassungstreue abgesprochen wird. Mit ihrer Empörung über die in ihren Augen unangebrachte Gleichsetzung von linken und rechtem Extremismus sind sie ganz auf Linie der des Linksextremismus bezichtigten Kohle-Gegner. Auch diese fordern in einem Statement auf Twitter: „Konzentriert euch auf #Entnazifizierung und den Kampf gegen rechte Gewalt! Und packt eure #Hufeisentheorie endlich in den Keller!“

Plötzlicher Hang zur Differenzierung

In dem Tweet verweist „Ende Gelände“-Berlin auf die Spiegel-Kolumne von Margarete Stokowski. In ihrem Text „Mythos Mitte“ vom Februar schreibt die Autorin: „Es gibt Dinge, an die hat man sich so sehr gewöhnt, daß man sie nicht mehr hinterfragt.“ Die Einteilung von politischen Haltungen in „links“, „Mitte“ und „rechts“ sei „so eine Sache“ und auch „der Weg über die vermeintliche ‘Mitte’ kann in den Totalitarismus führen“, glaubt Stokowski. Man ist geneigt, ihr recht zu geben, allerdings nur, bis sie in ihrer Argumentation in genau das Muster verfällt, das sie mit dem Text eigentlich kritisieren wollte.

Ohne es zu hinterfragen, leiert die Spiegel-Kolumnisten so ziemlich alles herunter, auf das man auf Medien-Partys gerne mit dem einen oder anderen Gin-Cocktail anstößt. Die vermeintliche Mitte sei oft „anschlußfähig“ für antidemokratische Haltungen und diese finde man natürlich vor allem bei Liberalen und Konservativen, die es sich „selten zur Aufgabe machen, die Diskriminierung von Minderheiten zu bekämpfen (außer es geht um Dieselfahrer, Vermieter oder alte weiße Männer)“.

Im aktuellen Fall scheint die linksgrüne Blase auf einmal zu etwas fähig und sogar willens zu sein, zudem sie sonst, wenn es um die Neue Rechte geht, nicht einmal im Ansatz bereit ist: die feingeistige, politphilosophische und fachjuristische sprachliche Unterscheidung zwischen extrem und radikal. So findet der grüne Landesvorsitzende: „Blockaden für den Kohleausstieg sind radikale Protestaktionen, aber keine Gefahr für die Verfassung. Ganz im Gegenteil: Wer für den Kohleausstieg kämpft, rettet unseren Planeten.“

Die wirkliche Gefahr sitzt woanders

An welcher Stelle im Grundgesetz die Passage mit dem Weltretten steht, müßte Werner Graf den Bürgern, die regelmäßig unter den Besetzungen und Blockaden der erklärten Klimaschützer und Antikapitalisten zu leiden haben, zwar noch einmal erklären, in einem hat er aber vermutlich nicht ganz unrecht. Die Mitglieder von „Ende Gelände“ alleine wären wohl tatsächlich keine große Gefahr für die Verfassung. Die wahren Gefährder sitzen woanders. In den Redaktionsstuben von Spiegel und Co., wo im Zweifel nicht nur die radikalsten Positionen, sondern auch die extremsten Handlungen noch einen publizistischen Verteidiger finden, solange sie nur von der richtigen Seite kommen und Teil des Kampfs für die gute Sache sind.

Und mehr noch: Die wirkliche Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung sitzt auch in den Parlamenten. Nicht nur im Berliner Abgeordnetenhaus. In Parteien, die den Verfassungsschutz immer selbstverständlicher und unverblümter politisch instrumentalisieren, ihn aber gleich im ersten Moment, in dem ihnen das sicher geglaubte Instrument aus den Händen zu geraten droht (aber eben auch nur dann), am liebsten sofort abschaffen wollen. Man könnte noch lange darüber diskutieren, wen ein Verfassungsschutz, der wirklich dem Schutz der Verfassung dienen würde, noch alles ins Visier nehmen müßte. Aber in Zeiten, in denen die eigene Regierung gerade die darin „festgeschriebenen“ fundamentalsten Grundrechte massiv eingeschränkt hat, ist eine solche Debatte vielleicht auch nebensächlich.

Proteste von „Ende Gelände“ in Nordrhein-Westfalen Foto: imago images / Cord
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