Was vergangenen Herbst noch eine Forderung der Grünen war, ist nun bei der CSU angekommen: den Klimaschutz als verpflichtende Staatsaufgabe ins Grundgesetz aufzunehmen. Mit diesem Vorschlag platzt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ins Hochsommerloch. Indes: Um solche Glaubenswahrheiten nachzubeten, muß man nicht weise sein. So besehen ist es eigentlich erstaunlich, daß kürzlich die „Wirtschaftsweisen“ gutachterlich empfohlen haben, eine CO2-Steuer für die Bereiche Verkehr und Gebäude einzuführen, konkret auf Treibstoff, Heizöl und Gas, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen.
Besonders weise war das nicht, denn was man gegen einen angeblich so schädlichen Klimawandel unternehmen soll, ist zuvorderst Glaubenssache; was uns an immer stärkeren klimapolitischen Eingriffen zugemutet wird, ein wahrer Glaubenskrieg; und nun die CO2-Steuer so etwas wie eine aktualisierte Ausgabe des mittelalterlichen Ablaßhandels, mit dem man sich von seinen umweltverschmutzenden Sünden freikauft, dafür mit einer bloß um zwei Grad Celsius erhöhten Fegefeuertemperatur belohnt wird und bei dem die Obrigkeit für sich und ihre Gefolgschaft ein hübsches Einkommen generiert.
Gutachten der „Wirtschaftsweisen“
Kein Wunder, wird die CO2-Steuer doch von denen begrüßt, die von diesem Einkommen profitieren, in erster Linie natürlich die Regierenden mit ihrer Hausmacht an wachsenden Umweltbürokratien und staatlich bezahlten Umweltwissenschaftlern. Kein Wunder auch, hat die Bundesregierung nun soeben angekündigt, am 20. September neue Umweltschutzregulierungen auf den Weg zu bringen, selbstredend inklusive CO2-Steuer.
Schließlich, so die Regierung, könne man sich nun auf ein Gutachten der „Wirtschaftsweisen“ stützen. Verräterisch ist allerdings der Auftrag, den die Bundesregierung ihnen erteilt hatte, nämlich „ein Sondergutachten gemäß Paragraph 6 Absatz 2 Satz 2 SVR-Gesetz zu erstellen, das eine Bepreisung von CO2 als ein mögliches Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele diskutiert“. Im Klartext heißt dies schlicht: „Begründen Sie bitte eine CO2-Steuer“ und dabei mitgedacht: „Hinterfragen Sie aber nicht die Klimaziele!“
Auch die Opposition begrüßt den Regierungsplan zur Einführung der CO2-Steuer, wie neuestens von dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck zu hören ist. Das kann insofern nicht erstaunen, als Habeck eben Chef einer Öko-Partei ist, vor allem aber, weil die Steuer Geld in die Staatskasse spülen wird, von dem der gesamte Fürstenhof zu Berlin recht komfortabel lebt, gleich ob in der Regierung oder in der Opposition.
Klimadebatte ist ein Glaubenskrieg
Auch Unternehmen der Privatwirtschaft begrüßen nun die CO2-Steuer. Vergangenes Wochenende sagte Münchener-Rück-Vorstandsvorsitzender Joachim Wenning im Interview mit der Welt am Sonntag: „Nach meiner Überzeugung wird sich entscheidend erst etwas ändern, wenn der CO2-Ausstoß Geld kostet.“ Mit bemerkenswerter Unverblümtheit begründete der Chef des weltgrößten Rückversicherers seine Sympathie für die neue Abgabe damit, daß die steuerfinanzierte Klimapolitik zu weniger Stürmen, Hochwasser und Dürre führe und dies die Rückversicherungsbranche entlaste. Mit anderen Worten: Lassen sich Schäden, die man als Versicherer ja eigentlich zu tragen hätte, auf den Steuerzahler abwälzen, springt für Herrn Wenning vielleicht noch ein schöner Bonus heraus.
Daß es bei der ganzen Klimadebatte um einen Glaubenskrieg geht, zeigt sich schon daran, daß von den Glaubenshütern Wert auf unumstößliche Wahrheit ihres Glaubens gelegt wird. Nichts verstimmt Gläubige mehr, als wenn man ihnen erklärt, daß das, was sie glauben, zwar als ihr Glaube in Ordnung sei, aber nicht den Anspruch auf objektive Wahrheit erheben könne. Dann reagieren sie aggressiv, mit persönlicher Verunglimpfung der Ungläubigen, mit deren Ausgrenzung als verstockte Heiden. Auch der Scheiterhaufen diente schon als probates Mittel, um Ungläubige mundtot zu machen und Zweifelnde abzuschrecken.
So nun auch beim Glauben an die Klimaziele: Wie weit ein Klimawandel tatsächlich abläuft, wie stark die damit verbundene Erwärmung ist, wie weit diese vom Menschen verursacht und beeinflußbar ist, und überhaupt, wie die Entwicklung des Weltklimas in den nächsten hundert Jahren mit Vor- und Nachteilen verlaufen wird – all dies ist lebhaft umstritten. Das kann bei derart komplexen und langfristigen Problemstellungen ja gar nicht anders sein. Wenn jemand allen Ernstes behauptet, die objektiv richtigen Antworten auf all diese Fragen auch nur annähernd zu wissen, verrät er sich als Scharlatan.
Wie bei der Inquisition
Und will er daraus noch Zwangsmaßnahmen ableiten, verhält er sich nicht anders als die Inquisition. So wie die im Mittelalter den einzig wahren Gottesglauben definiert und handfest durchgesetzt hat, tut dies heute bei uns die staatliche Obrigkeit mit ihren einzig wahren Klimazielen. Und sie wird dabei, wie damals schon, von gläubigen Massen unterstützt.
Machen Sie den Test, versuchen Sie einmal in einer öffentlichen Diskussion, den Klimawandel als eine menschengemachte und schädliche Entwicklung in Frage zu stellen, dann spüren Sie, was Glaubenswahrheit ist und wie es Häretikern ergehen kann: Sie werden bestenfalls lächerlich gemacht, schlimmstenfalls beschimpft.
Noch ein anekdotisches Detail: In ihrem Gutachten betonen die „Wirtschaftsweisen“, die CO2-Steuer sei nur als vorübergehende Maßnahme gedacht; wenn die angestrebten Klimaziele erreicht seien, solle man sie wieder abschaffen. Haben Sie je eine Steuer gesehen, die wieder abgeschafft wurde? Selten so gelacht!
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Prof. Dr. David Dürr ist Wirtschaftsanwalt und Notar in Basel sowie Titularprofessor für Privatrecht und Rechtstheorie an der Universität Zürich.
JF 32/19