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Stuttgart 21: Teurer Machbarkeitswahn

Stuttgart 21: Teurer Machbarkeitswahn

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Stuttgart
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Protestschild gegen Stuttgart 21 Foto: picture alliance/dpa
Stuttgart 21
 

Teurer Machbarkeitswahn

Das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist mittlerweile zur „Staatsräson“ geworden. Symbol einer Hybris, die viel schlechtem Geld noch mehr gutes Geld hinterherwirft. Sachargumente zählen nicht mehr. Es geht nur noch darum, nicht das Gesicht zu verlieren. Koste es den deutschen Steuerzahler, was es wolle. Ein Kommentar von Henning Lindhoff.
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Aus Sicht des ehemaligen Netzvorstands der Deutschen Bahn, Thilo Sarrazin, war Stuttgart 21 von Anfang eine Fehlinvestition. Schon 2001 habe er im Bahnvorstand auf die enormen Baurisiken aufmerksam gemacht, aufgrund derer das Mammutprojekt kaum finanziert werden könne. In seiner schriftlichen Stellungnahme vor dem Verkehrsausschuß des Bundestags im Juni dieses Jahres wies er nochmals ausdrücklich darauf hin.

Bereits Ende der achtziger Jahre Jahre sei er im Finanzministerium mit den S21-Plänen konfrontiert worden, die er für „utopisch“ gehalten habe, erklärte Sarrazin. Im Jahr 2000 sei das Projekt „eingefroren“ gewesen, weil es „als besonders unrentabel galt“. Bei seinen Rentabilitätsstudien habe S21 den „mit Abstand hintersten Rangplatz“ eingenommen. Und dennoch verhalf der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn dem Projekt zu einem Neustart. Maßgeblich sei, so Sarrazin, die Zusage der damaligen CDU-Landesregierung gewesen, dafür den milliardenschweren Nahverkehrsvertrag ohne Ausschreibung langfristig an den Konzern zu vergeben.

In seinem Schreiben an den Ausschuß weist Sarrazin völlig zurecht auf Risiken im Tunnelbau von S21 hin. Die Gefahren bestehen unvermindert. Laut eines Gutachtens der Wirtschaftsprüfer von KPMG und der Ingenieure von Ernst Basler und Partner von 2016 existiert weiterhin das Problem, daß auch „nach Stand der Technik“ ein Tunnelbau im Anhydrit nicht beherrschbar ist. Die Gutachter schreiben: „Es besteht bei jedem Tunnel im Anhydrit inhärent ein im Ingenieursbau unüblich hohes Risiko für die Betriebstauglichkeit.“

Gutachten: Bahn bewertet Risiko zu niedrig

Stuttgart 21 ist nicht realisierbar, weil der Bau vieler der geplanten Tunnel durch Anhydrit-Gestein, auch „Gipskeuper“ genannt, verläuft. Damit sind nicht berechenbare Risiken, die zusätzliche viele hunderte Millionen Euro verschlingen können, verbunden. Anhydrit ist leicht wasserlöslich. Wird es feucht, können Hohlräume entstehen, sich Krater bilden. Gleichzeitig kann sich der Boden anheben, wenn Gipskeuperschichten mit Wasser in Berührung kommen und zu Mineralgips werden.

Etwa zehn Seiten des rund 100 Seiten starken Gutachtens von KPMG und Ernst Basler widmen sich dem Aspekt Anhydrit. Ausdrücklich schreiben die Prüfer, das Risiko, das mit dem Untergrund verbunden ist, werde seitens der Deutschen Bahn AG deutlich „unterbewertet“.

Selbstverständlich sei es obligatorisch, daß es bei Tunnelbauarbeiten im Anhydrit „keinen Wasserzutritt“ geben darf. Doch genau diesen hatten sie „bei einer Begehung am 17. August 2016“ festgestellt.

In ihrem Gutachten schreiben sie: „Die Erfahrung zeigt, daß Tunnelbau ohne Wasser nicht möglich ist. Insofern halten wir es nicht für realistisch, daß das Quellen des Anhydrit mit absoluter Sicherheit vollständig vermieden werden kann.“

Symbol einer Hybris

Denn komme es dann zu „Anhebungen von mehr als 10 Zentimetern“, müsse der entsprechende Tunnel „neu gebaut“ werden. Und es gebe „keine bautechnische Lösung, welche eine risikofreie Nutzung zuverlässig sicherstellen kann“.

Die von Thilo Sarrazin und Beamten im Bundesfinanzministerium bereits vor 18 Jahren erkannten Risiken im S21-Tunnelbau sind nur die Spitze eines Argumentationsberges gegen das Mammutprojekt, das auch der neue Bahnchef Richard Lutz gegen jede Vernunft durchsetzen will. Er sei dazu „finster entschlossen“, wie er auf der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn AG am 23. März 2017 bekanntgab.

Stuttgart 21 ist mittlerweile „Staatsräson“, Symbol einer Hybris, die viel schlechtem Geld noch mehr gutes Geld hinterherwirft.

Heilen kann dies auch nicht der Prüfbericht des Bundesrechnungshofes, der 2016 vor einer neuen Kostenexplosion warnte. Sachargumente zählen nicht mehr. Es geht nur noch darum, nicht das Gesicht zu verlieren. Koste es den deutschen Steuerzahler, was es wolle.

Protestschild gegen Stuttgart 21 Foto: picture alliance/dpa
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