„Es lohnt sich, für eine Überzeugung zu kämpfen“, verkündete CSU-Chef Horst Seehofer mit siegesstolzgeschwellter Brust am Montag abend. „Habemus Einigung“, jubelte Staatministerin Dorethee Bär. Endlich, so der Narrativ der CSU, gibt es eine echte Asylwende. Durchgesetzt von den Bayern, gegen den Willen der Bundeskanzlerin. Nun wird alles gut. Vorbei die Zeiten der unkontrollierten Masseneinwanderung. Die CSU und ihr Innenminister Seehofer sorgen für Ordnung.
Die vielgelobte Einigung zwischen CSU und CDU „zur besseren Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Sekundärmigration“ umfaßt folgende drei Punkte:
„1. Wir vereinbaren an der deutsch-österreichischen Grenze ein neues Grenzregime, das sicherstellt, daß wir Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise hindern.
2. Wir richten dafür Transitzentren ein, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden (Zurückweisung auf Grundlage einer Fiktion der Nichteinreise). Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen.
3. In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt.“
Schaut man sich die einzelnen Punkte jedoch genauer an, bleiben viele Fragen offen.
Was macht die SPD?
Zuvorderst die, ob die Sozialdemokraten dem Asylkompromiß überhaupt zustimmen. Denn Transitzentren lehnt die SPD strikt ab. Als die Idee 2015 schon einmal von der CSU ins Spiel gebracht wurde, dann aber am Widerstand Merkels sowie wegen rechtlicher Bedenken scheiterte, feierte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel das mit den Worten: „Keine Haftlager an der Grenze, kein Zaun. Die SPD hat sich in der Koalition auf ganzer Linie durchgesetzt.“ Es dürfte also spannend werden, wie die Parteiführung vor allem den durch die Große Koalition ohnehin unzufriedenen linken Parteiflügel dazu bringen könnte, solchen Transitzentren zuzustimmen.
Aber selbst mit dem Segen der SPD gibt es noch zahlreiche weitere Fragezeichen. Zum Beispiel, wann die Transitzentren überhaupt kommen, und wer für sie genau zuständig ist? Welches Chaos durch beschleunigte Asylverfahren entstehen kann, wenn die zuständigen Behörden darauf nicht eingestellt sind, hat nicht zuletzt der Bamf-Skandal gezeigt.
Ob es wirklich zu beschleunigten Abschiebeverfahren aus diesen Lagern kommt, ist ebenfalls fraglich. Schließlich verspricht die Bundesregierung seit Jahren mehr Härte bei den Abschiebungen, scheitert aber stets am Unwillen der einzelnen Bundesländer, sowie einem Heer von Asyl-Anwälten und -Ärzten, die, wo sie nur können, Sand ins Getriebe der Abschiebemaschinerie streuen.
Einigung von der Kooperation weiterer Länder abhängig
Attestierte Krankheit ist bekanntlich ein Abschiebehindernis. Das dürfte auch für die Asylbewerber in den Transitzentren gelten. Und ohne Papiere gestaltet sich deren Rückführung ohnehin schwierig. Sind dann noch minderjährige Asylbewerber oder solche, die behaupten, minderjährig zu sein, mit im Spiel, ist eine Abschiebung schon so gut wie gescheitert.
Ob die bayerische Staatsregierung auch noch nach der Landtagswahl den Willen zu konsequenten Rückführungen an den Tag legt, könnte zudem vom Koalitionspartner abhängen. Denn eine Alleinregierung der CSU gilt nach Oktober keineswegs als gesichert. Fest steht, mit Bildern von Abschiebungen gewinnen Politiker in den Medien keine Preise.
Unklar ist des weiteren, wie lange Asylbewerber rechtlich überhaupt in solchen Zentren festgehalten werden dürfen. Hier dürften Asyl-Lobbyorganisationen schon bald die zuständigen Gerichte bemühen.
Ein weiterer Pferdefuß in dem Asylkompromiß sind die Verwaltungsabkommen, die die Bundesregierung mit den betroffenen Ländern zur Zurücknahme nicht asylberechtigter Einwanderer treffen will. Dies setzt die Bereitschaft der jeweiligen Länder für solche Abkommen voraus, und die dürfte insbesondere in Osteuropa aber auch in Italien eher gering sein.
Keine Transitzentren an anderen Grenzen
Für den Fall, daß sich die zuständigen Länder solchen Verwaltungsabkommen verweigern, sieht der Asylkompromiß eine „Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze“ vor, und zwar „auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich“. Die dortige Regierung aus ÖVP und FPÖ wird aber vermutlich nur begrenztes Entgegenkommen zeigen, wenn es um die Übernahme von Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive aus Deutschland geht.
Und überhaupt: Warum soll es solche Transitzentren denn nur in Bayern an der Grenze zu Österreich geben? Was ist mit den Grenzen zu Dänemark, den Niederlanden, Belgien und vor allem zu Frankreich? Schließlich hat die Bundespolizei gerade im südwestlichen Dreiländereck zwischen der Schweiz, Frankreich und Deutschland mit illegalen Einwanderern aus Afrika zu kämpfen. Doch dort sind keine Transitzentren geplant. Gleiches gilt für Nordrhein-Westfalen, dessen Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im Asylstreit versicherte: die NRW-Grenze bleibe offen.
Letztlich sollte noch erwähnt werden, daß kein illegaler Einwanderer aus anderen Bundesländern in die bayerischen Transitzentren zurückgeführt wird, sollte er es unbemerkt über die deutsch-österreichische Grenze schaffen und beispielsweise in NRW, Hamburg oder Berlin Asyl beantragen. Hierauf werden sich die gutorganisierten Schlepperbanden einstellen.
Auch wenn CDU und CSU ihren Kompromiß gern als solche verkaufen, eine „echte Asylwende“ ist die Einigung keinesfalls. Die Asyl- und Abschiebestatistiken der kommenden Monate werden schnell zeigen, daß der Drei-Punkte-Plan der Union bei der Eindämmung der Asylwelle in etwa so „wirkunsgleich“ ist, wie eine Spritzpistole zur Bekämpfung von Waldbränden.